Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Raine der Wagemutige

Titel: Raine der Wagemutige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Brockway
Vom Netzwerk:
Stirn. „Jeden Augenblick. Jeden Schrei. Wie Säure hat sich alles, was in jener Nacht geschah, in mein Hirn gefressen, so dass alles, was ich sehe, von diesen Bildern überdeckt wird. Wie ein Schatten, der über jeden meiner Gedanken fällt...“ Ihre Worte verloren sich.
    Ihr leises Zittern war in heftiges Schlottern übergegangen. Favor konnte hören, wie ihre Zähne aufeinander schlugen. Sie blieben unter dem Tor stehen.
    „Genau hier ist die Stelle, an der du gestanden hast. “ Sie versetzte Favor einen leichten Stoß und folgte ihr dann. „Und ich ... ja, ich stand exakt hier. Stell dir nur einmal vor, Favor. Ein paar Minuten lang vor neun Jahren war ich in deiner Nähe, nur eine Armlänge von dir entfernt.. . und ihm. Und später, als sie ihn mit sich genommen und dich hier zurückgelassen hatten, barfuß und eiskalt, dein Nachthemd mit Blut voll gesogen, da hätte ich meine Verwundeten nehmen können und gehen, dich hier allein deinem Schicksal überlassen können.“
    Ihr Lächeln verzerrte sich, wurde hässlich. „Das hätte ich auch getan, wenn ich geahnt hätte, dass du uns ein zweites Mal verraten würdest.“
    Ihr würde gleich schlecht werden. In ihrem Kopf drehte sich alles, und ihre Knie schlugen gegeneinander. Sie wollte nicht hier sein. Sie hatte nie hierher zurückkehren wollen. Alles, was hier auf sie wartete, waren Schrecken, Schrecken und der schmutzige, von Blut glitschige Oberkörper eines Jungen, die Schreie der Männer und der Gestank von Schießpulver und . . . und die sanfte, mitleidige Berührung der Lippen eines Frauenschänders auf ihrem Kopf, die einzige Geste des Trostes in jener Nacht, ihr gegeben von ihrem Feind und doch eine, die sie dankbar angenommen hatte, etwas, das sie sich niemals verzeihen würde.
    Sie schlang die Arme um ihre Taille und begann sich leise zu wiegen, voller Angst, dass wenn sie jetzt losließe, sie in unzählige Stückchen zerbersten würde und in einen schwarzen Abgrund stürzen, in dem sie auf ewig gefangen sein würde.
    „Du siehst es wieder vor dir, nicht wahr, Favor?“ fragte Muira sanft. „Du hattest es vergessen, nicht wahr? Aye, ich hatte mir schon gedacht, dass es so ist. Ich habe mir gedacht, jemand, der sich an alles erinnert, könnte uns unmöglich verraten.“
    Benommen nickte sie.
    „Siebzehn Männer und Jungen vom Clan der McClairen starben in jener Nacht. Die, die nicht gestorben waren, habe ich zusammengeflickt und gepflegt. Zwei sind später gestorben. Das ist der Preis, den wir für die Rettung eines Verbrechers zahlen mussten, Favor. “
    „Muira!“ rief Jamie plötzlich mit besorgter Stimme. Alle Sanftheit wich aus Muiras Augen. „Du sei ruhig, Jamie! Sie hat das Leben eines Frauenschänders gerettet, und darum mussten neunzehn Männer und Jungen ihr Leben lassen.“
    Damit wandte sich Muira mit entschlossener, gebieterischer Miene wieder zu Favor um.
    „Die neun Männer, die überlebten, haben für eine Wiedergutmachung nach all den Jahren genauso hart gearbeitet wie ich. Sie wurden zu Schmugglern und Dieben, Arbeitern und Dienern, und das, damit sie nicht nur genug Geld für sich und ihre Familien zusammenbekamen, sondern auch für dich. Damit du Lady Carr werden und uns das Land und die Festung zurückgeben kannst. Daher stammt das Geld für das Kloster, in dem du aufgewachsen bist, das Geld für deine Kleider und deinen Schmuck, Favor. Das sind die Menschen, die du verraten hast.“ „Nein!“ rief Favor schwach. Wie hatte sie nur vergessen können? Wie hatte sie auch nur eine Minute aufs Spiel setzen können, wofür all diese Menschen so hart gearbeitet hatten?
    „Bist du nun bereit, Carrs Braut zu werden?“
    Favor nickte benommen.
    Raine durchstreifte unruhig die leeren, mit Tüchern verhüllten Räume und die dunklen, hallenden Flure, wie ein Tier, das man auf einem Friedhof oder in einer Totenstadt frei herumstreifen ließ. Favor war weder gestern zu ihm gekommen, noch war sie heute erschienen. Letzte Nacht hatte er hoch oben über dem Ballsaal darauf gewartet, sie zu sehen, von Gefühlen beherrscht, wie er sie nie zuvor kennen gelernt hatte. Sein Herz schlug schwer in seiner Brust, und das Atmen bereitete ihm Schwierigkeiten.
    Er hatte Angst. Angst, dass sie bereute, was geschehen war. Alles bereute. Ihre Worte, ihre Leidenschaft. . . ihre Liebe. Aber dann war sie an Carrs Seite erschienen und hatte sich wie eine Kranke an seinen Arm geklammert. Ihr Gesicht war leichenblass und ihr Gang unsicher.
    Eine neue Angst

Weitere Kostenlose Bücher