Raine der Wagemutige
Besitzers eben dieser Burg, Ian McClairen.
Da sie eine reiche Erbin und aufs Heftigste in ihn verliebt war und er sonst nichts Besseres zu tun hatte, hatte er sie geheiratet. Sie hatten hier gelebt, unter Ians wohlwollendem Auge, bis Carr beschlossen hatte, dass er der schlichten Einrichtung der Burg müde war. Als sich mit jenem schicksalhaften Jakobitenaufstand des Jahres 1745 die Gelegenheit ergab, hatte er nicht lange gezögert, wichtige Informationen über die Rädelsführer an Cumberland weiterzugeben. Nach der Niederschlagung des Aufstandes und der Hinrichtung von Ian und den Seinen hatte ein dankbarer Cumberland dafür Sorge getragen, dass Carr Wanton's Blush und die dazugehörigen Ländereien erhielt. Und dann hatte Carr Änderungen am Äußeren und an der Einrichtung innen vorgenommen.
Er hatte die Burg Wanton's Blush erneuert, keine Kosten und Mühen gescheut, um sie in ein wahres Schmuckstück zu verwandeln. Die U-förmige Festung, die auf dem höchsten Punkt der sichelförmigen Küstenlinie der Insel erbaut worden war, erhob sich steil über dem Meer. Zwei Flügel erstreckten sich jeweils von der Nord- und Südseite aus und boten so den innen liegenden Gärten Schutz vor den ständig wehenden Winden. Italienische Gärten waren einst auf den Terrassen angelegt worden, die Carr in den Felsen unterhalb des Burghofes hatte schlagen und mit fruchtbarem Boden bedecken lassen, aber über die Jahre hatten langsam immer mehr von den heimischen Unkräutern ihren Weg zurück in die Gärten gefunden. Und weil keiner von Carrs Gästen seine wachen Stunden dort mit müßigen Spaziergängen zu verbringen pflegte - da die wachen Stunden vornehmlich zu nächtlichen Zeiten waren - kämpfte er nicht allzu heftig für die Erhaltung der italienischen Gartenanlagen.
Das Problem ist, gestand Carr sich ohne Bedauern ein, dass Wanton's Blush mich nicht länger interessiert. Es hatte seinen Zweck erfüllt - in der Tat erfüllte es immer noch seinen Zweck: von nah und fern die reichsten und berüchtigtsten Spieler aus Englands ehrbarsten Familien anzulocken.
Carr war kein Narr. Er verschwendete immer noch genug Geld auf diesen verfluchten Steinhaufen, um auch noch die übersättigtsten Geschmäcker zu reizen. Wanton's Blush rühmte sich nach wie vor des besten Weinkellers von ganz Schottland, des besten Küchenchefs und beherbergte eine erstklassige Sammlung von Bildern und Kunstwerken, Schätze, die er mit sich nehmen würde, wenn er von hier fortginge und im Triumphzug an den Schauplatz seiner früheren Erniedrigung zurückkehrte. Das alte Gift drängte wieder an die Oberfläche.
Nachdem Janet gestorben war, hatte Carr sich darangemacht, genug Reichtum anzuhäufen, um seine hartnäckigsten Gläubiger auszuzahlen und sich seiner Stellung angemessen auszustaffieren. Es war ein beschwerliches, langatmiges Unterfangen gewesen. Zu langatmig. Also hatte er eine weitere Erbin geheiratet, deren Vermögen nicht so groß gewesen war, wie sie angedeutet hatte, das Miststück. So hatte sie ein tragischer Unfall ereilt, wie seine dritte Ehefrau auch.
Zu diesem Zeitpunkt besaß er so viel Geld, wie er benötigte, aber König George, der aus Altersschwäche zu frömmeln begonnen hatte, hatte schon Anstoß genommen an Carrs unglückseliger Angewohnheit, seine Ehefrauen an ein frühes Grab zu verlieren. Er hatte nicht nur deutlich gemacht, dass Carr weder in London willkommen wäre noch in irgendeiner anderen Gesellschaft, in der der König - Verdammnis seiner Seele - das Sagen hatte, sondern hatte auch noch einen Erlass verfügt: Wenn jemals eine Frau starb, solange sie unter Carrs Obhut weilte, würde Carr dafür mit seinem eigenen Kopf zahlen müssen.
Und so hatte Carr in diesem nordschottischen Nirgendwo ganze fünfundzwanzig Jahre zugebracht. Fünfundzwanzig Jahre inoffizieller Verbannung - zunächst selbst gewählt, später durch königlichen Erlass verfügt.
Aber bald wird es vorüber sein, überlegte Carr und trommelte mit den Fingern gegen die Fensterscheibe. Die Räder in dem Uhrwerk hatten sich zu drehen begonnen. Einige waren für seine Sache geworben worden, andere erpresst, mit Schmeicheleien gewonnen, überredet, bedroht.. . alle seine Anstrengungen würden in Kürze Frucht tragen. Bald. Ein paar Monate noch und er wäre der ungekrönte König der Londoner Gesellschaft.
Doch zuerst, dachte er und wandte sich vom Fenster ab, muss ich mich ein paar dringender Angelegenheiten annehmen, mich um den Besitz kümmern, bevor ich
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