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Raine der Wagemutige

Titel: Raine der Wagemutige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Brockway
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eine besonders aufrechte Haltung größer zu scheinen, als sie eigentlich war, und die Tollkirschtinktur, die ihr Muira in die Augen getropft hatte, damit sich ihre Pupillen vergrößerten, verursachte ihr Kopfschmerzen, und außerdem konnte sie nur verschwommen sehen.
    Carr wahrte Abstand. Gewöhnlicherweise hätte Favor sich zurückgezogen, aber obwohl der Earl von ihrer Seite gewichen war, beobachtete er sie ständig. Insgeheim, doch eindringlich, Stunde um Stunde. Also ignorierte Favor ihre pochenden Schläfen und ihren schmerzenden Rücken und hörte Muira zu, die lächelnd und kopfnickend neben ihr stand, während sie ihr Anweisungen zuzischelte.
    Um zwei Uhr näherte sich Carr ihr erneut und bat sie um einen Tanz. Sie gewährte ihn. Er war ein ausgezeichneter Tänzer, der sie sicher, fehlerlos und schweigend durch die vorgeschriebenen Schritte führte. Nachdem der Tanz zu Ende war und er sie dorthin zurückgebracht hatte, wo Muira saß und zu schlafen vorgab, ihr Kinn auf ihren stattlichen Busen gesunken, ergriff er endlich das Wort. „Ich habe Euren Schal gefunden. “
    Favor durchsuchte ihr Gedächtnis fieberhaft nach irgendeinem Anhaltspunkt, irgendeiner Erwähnung eines
    Schales, der Janet gehört hatte. Ihr fiel nichts ein. Vielleicht versuchte er sie zu testen?
    „Ich habe keinen Schal verloren, Lord Carr. Ich fürchte, eine andere Dame unter Euren Gästen vermisst ihn.“
    Sein Gesicht erstarrte. Es war ein Test gewesen. Er hatte eine andere Antwort erwartet. Verflixt, dass Muira ausgerechnet das übersehen hatte.
    Zu spät, den Schal jetzt noch zu dem Ihren zu erklären. Wenigstens bis sie von Muira erfahren hatte, was es damit auf sich hatte.
    „Ah. Mein Fehler, entschuldigt vielmals. Danke für den Tanz, Miss Donne“, sagte er, bevor er sich kurz verbeugte und mit der Menge verschmolz.
    „Was sollte das?“ Favor blickte auf Muira hinab. Deren Miene war verwirrt und ihre Stimme belegt, wie bei jemandem, der gerade erst erwacht ist, aber ihr Ton war scharf gewesen.
    Favor war nicht in der Stimmung für Muiras beißende Kritik. Sie konnte genauso gut lächeln und dabei durch ihre Zähne zischen. „Das nächste Mal, wenn Ihr einen von Janets Schals liegen lasst, damit Carr ihn findet, dann schlage ich vor, unterrichtet Ihr mich zuvor davon.“
    Muiras aufgesetzte, sanfte Miene verflog, so dass es nunmehr eine Frau in mittlerem Alter mit harten Zügen war, die Favor in verärgertem Befremden anstarrte. „Ich habe keinen Schal liegen lassen.“
    Mondlicht badete Favors schlafende Gestalt, hüllte ihr Gesicht in bläulich weißen Schimmer. Ihr Kopf ruhte auf ihrem Kissen, und das tintenschwarze Haar ergoss sich über Bettdecke und Laken. Sie hatte ihre Lippen einen Spalt weit geöffnet, und eine leichte Falte hatte sich zwischen ihren Brauen gebildet.
    Die hochgewachsene, dunkle Gestalt, die am Fuß des Bettes stand, betrachtete sie eindringlich mit zur Seite geneigtem Kopf. Selbst im Schlaf sieht sie noch erschöpft aus, dachte Raine.
    Er hatte sie fast die ganze Nacht von der Galerie im Ballsaal aus beobachtet. Ihre Schultern waren vor Müdigkeit nach unten gesackt, lange bevor die Nacht vorüber war. Sogar von dort oben aus hatte er trotz der weißen Puderschicht auf ihrem Gesicht die dunklen Schatten unter ihren
    Augen erkennen können. Und die Art, wie sie ihren Kopf hielt, deutete auf Kopfschmerzen hin.
    Sie hätte nicht herkommen sollen, dachte er. Sie hätte nicht. . .
    Sie stöhnte leise und begann sich unruhig hin und her zu bewegen. Der leise Klagelaut ließ ihn aus den Schatten hervortreten, die Hand ausgestreckt, sie tröstend zu streicheln. Abrupt hielt er inne.
    Nein, wurde ihm klar, ich bin es, der nicht hätte herkommen sollen.

16. KAPITEL
    Die schräg einfallenden Strahlen der Nachmittagssonne ließen das bunte Glasfenster aufleuchten, durchdrangen das kühle Dämmerlicht in der Marienkapelle und malten ein farbiges Mosaik auf den grauen Steinfußboden. Das kleine, schmutzige Rosettenfenster wurde auf beiden Seiten von flachen Nischen flankiert. Darin hielten zwei staubbedeckte Heilige Wache. Obwohl die Burgkapelle schon vor langer Zeit ihres Altars und der Bänke beraubt worden war, hatte sie doch immer eine gewisse andächtige Würde ausgestrahlt. Jetzt nicht mehr.
    Raine hatte schließlich entdeckt, wohin sein Vater die Besitztümer seiner Mutter verbannt hatte. „Verdammt sollst du sein, Carr!“
    Er schaute sich um und wurde von der Woge der Traurigkeit überrascht, die ihn

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