Raketenmänner (German Edition)
den Bourbon hinunter.
»Dann müsstest du nicht immer eine neue Kassette aufnehmen.«
»Stimmt, das wäre viel effizienter.«
Sie stand vom Sofa auf, kam langsam zu ihm herüber, legte ihm die Arme um den Hals und drückte sich an ihn. »Ich habe extra was Nettes drunter angezogen.«
»Toll«, sagte Sabolewski.
Sie versuchte, ihn zu küssen, aber er sagte: »Warte mal, ich bin gleich wieder da.«
Sie wollte ihn nicht loslassen. »Och nöö, jetzt wird es doch erst richtig schön.«
»Ich habe da noch etwas vorbereitet. Eine Überraschung.«
»Oh, ich liebe Überraschungen.« Widerstrebend ließ sie von ihm ab. »Aber beeil dich«, rief sie ihm nach.
Sabolewski benutzte den Schlüssel, um die Wohnungstür ganz leise ins Schloss zu ziehen, schloss aber nicht ab. Er nahm die Treppe, weil er fürchtete, so lange auf den Aufzug warten zu müssen, dass sie irgendwann hinter ihm stand.
Draußen war er froh, dass er so geistesgegenwärtig gewesen war, eine Jacke mitzunehmen. Er kam an dem Supermarkt vorbei, in dem er heute Mittag mit der alten Frau gewesen war und der immer noch geöffnet hatte. Sabolewski ging hinein und kaufte zwei kalte Flaschen Bier, dieselbe Marke, die auch die alte Frau bevorzugte. Wein, Champagner, Whisky, Bier – alles durcheinander, wie in den alten Zeiten.
Der Container stand noch vor dem Haus. Sabolewski warf einen Blick hinein und sah nichts, was ihn überrascht hätte.
»Ach, da sind Sie ja«, sagte Frau Beierle, als sie die Tür öffnete.
Im Wohnzimmer lief eine Sendung über ein knappes Dutzend Halbwahnsinniger, die sich in einem Urwald bei brütender Hitze gegenseitig auf die Nerven gingen und zwischendurch eklige Tiere aßen, die zum Teil noch lebten. Sabolewski fand das ganz amüsant.
»Die machen Sachen, was?«
»Das können Sie laut sagen, Frau Beierle!«, antwortete Sabolewski.
Die alte Frau legte ihre erstaunlich glatte Stirn in Falten. »Warum?«
»Wie bitte?«
»Warum soll ich das laut sagen?«
»Müssen Sie nicht, können Sie aber. Ist nur so eine Redewendung.«
Frau Beierle nickte und wandte sich wieder dem Fernseher zu.
»Möchten Sie auch ein Bier, Frau Beierle?«
»Gerne«, sagte sie, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden.
Sabolewski reichte ihr eine der Flaschen.
»Gläser sind im Wohnzimmerschrank«, sagte sie.
Sabolewski nahm ein Glas aus dem Schrank und spülte es in der Küche mit kaltem Wasser aus. Er goss Frau Beierle ein, die lächelnd mit ihm anstieß.
Als die Sendung zu Ende war, verabschiedete Sabolewski sich von seiner Gastgeberin, die ihn anstarrte, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Er nahm die leeren Flaschen mit und stellte sie beim nun geschlossenen Supermarkt vor die Tür.
Seine Wohnung fand er leer vor. Die Lichter brannten. In der Küche stand das schmutzige Geschirr und auf dem Couchtisch die Erdbeeren und die leere Champagnerflasche. Sonst erinnerte nichts an die Frau, die vorhin hier gewesen war. Sabolewski füllte ein Glas mit Leitungswasser, holte den Recorder und die Kassette aus dem Schrank, setzte sich ins Wohnzimmer und drückte die Record -Taste.
Zeit und Mühe
1
Kamerke atmete aus. Er hatte sich damit abgefunden, dass er seine Frau niemals betrügen würde. Er hätte es ihr gern nachgetan, hätte ihr gern dieselben Bilder in den Kopf gepflanzt, wie sie es mit ihm getan hatte, aber wenn es nicht mit der Frau klappte, die ihm gerade gegenübersaß, musste man das Thema endgültig abhaken. Er reichte ihr die Butter und griff nach der Konfitüre, während ihr Mann keuchend seine Sachen aus dem Haus schaffte.
»Alles klar?«, fragte Gaby.
Kamerke nickte. »Ich habe nur an etwas gedacht.«
Gabys Mann fluchte auf der Treppe. Gaby grinste.
»Ich fände es schön, wenn mir mal jemand helfen würde!«, rief der Mann.
Gaby goss sich Kaffee nach. Kamerke biss in sein Brötchen. Selbst gemachte Erdbeermarmelade – ein Traum!
»Scheiße!«, schrie Gabys Mann. Kurz darauf fielen sperrige Gegenstände die Treppe hinab.
»Ich hoffe, er beschädigt nicht das Parkett«, sagte Gaby.
»Vorhin sagte er, das sei die letzte Kiste.«
»Er wird absichtlich ein paar Dinge vergessen, um noch mal zurückzukommen.«
»Und dann?«
Gaby sah auf die Uhr. »In einer Stunde kommt der Schlüsseldienst und baut ein neues Schloss ein.«
Gabys Mann schlug die Tür zu, und es war still.
»Glaubt er, dass wir …«
»Das möchte ich doch schwer hoffen.«
»Bist du enttäuscht, dass wir nicht?«
»Ich wäre enttäuscht, wenn wir.«
Kamerke
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