Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Raketenmänner (German Edition)

Raketenmänner (German Edition)

Titel: Raketenmänner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
Vom Netzwerk:
näherkamen, ahnten sie die leerstehenden Ladenlokale. Sie waren die einzigen Menschen auf der Straße.
    »Also, wenn du es genau wissen willst«, beendete Garretsen die Stille, »ist bei mir auch nicht alles so, wie es sein soll.«
    »Machen dir die Zwanzigjährigen, mit denen du ins Bett steigst, Schwierigkeiten?«
    »Zwanzig? Schön wär’s! Nein, es ist was Gesundheitliches.«
    Oh Gott, dachte Riedel, jetzt kommt er mit einer Tumor-Geschichte und übernimmt mal eben die Tabellenspitze im Leid-Ranking. Das würde ihm ähnlich sehen.
    »Also, ich hatte vor einiger Zeit eine Operation. Und jetzt habe ich nur noch ein Ei.«
    Riedel und Kobusch sagten erst mal nichts.
    »Du hast nur noch ein Ei?«, fragte Kobusch schließlich. »Wieso?«
    »Hodentorsion«, sagte Garretsen. »Da hat sich was verdreht, also der Hoden um den Gefäßstiel, den Samenstrang. Damit wird die Blutzufuhr abgeschnitten. Das tut weh wie Sau und muss sofort behandelt werden, damit die Zeugungsfähigkeit erhalten bleibt. Ich habe ein paar Tage zu lange gewartet.«
    »Du bist impotent?«, entfuhr es Kobusch ein wenig zu laut.
    »Blödsinn! Aber meine kleinen Soldaten richten auf feindlichem Gebiet keinen bleibenden Schaden mehr an, haben mir die Ärzte gesagt.«
    »Du kannst keine Kinder zeugen?«
    »Wollte ich auch nie.«
    Riedel fragte sich eher, wie jemand mit starken Schmerzen in den Hoden tagelang nicht zum Arzt gehen konnte.
    »Wenn das so ist, ist ja alles in Ordnung.«
    »Ich schreibe über Fußball und habe nur ein Ei! Wenn das rauskommt, bin ich geliefert! Die lachen sich doch alle tot! Ich kann über keinen Spieler mehr schreiben, dass er keine Eier in der Hose hat.«
    »Drück’ dich halt mal etwas gewählter aus. Würde dir ohnehin guttun.«
    »Du hast echt keine Ahnung von der Materie, Kobusch! Aber die Geschichte ist ein Treppenwitz. Meine Freundin war völlig entsetzt, als sie gehört hat, dass ich ihr keinen Nachwuchs verschaffen kann. Und jetzt ist sie plötzlich schwanger.«
    »Ernsthaft? Von dir?«
    »Das weiß ich noch nicht. Sie meint, da sei kein anderer im Spiel. Nächste Woche habe ich einen Termin beim Arzt. Also entweder habe ich demnächst ein Blag am Hals oder ich kann meine Freundin in die Wüste schicken. Bei mir ist also auch nicht alles so dolle.«
    Riedel irritierte es, dass Männer in seinem Alter immer noch von einer Freundin sprachen und nicht von einer Frau oder auch Exfrau.
    Sie gingen weiter.
    »Hier steht mein Auto«, sagte Kobusch plötzlich.
    »Was?«, rief Garretsen entgeistert. »Wir sind wieder bei dir? Dafür hätten wir doch mindestens noch zweimal abbiegen müssen!«
    Kobusch zuckte nur mit den Schultern. »Kommt ihr noch auf einen Absacker mit hoch?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Garretsen. »Es fühlt sich irgendwie so an, als sei der Abend an sein natürliches Ende gekommen.«
    »Ich muss morgen wieder um sechs raus«, sagte Riedel.
    Kobusch nickte. Ihm ging es nicht anders.
    »Wir sollten das unbedingt öfter machen«, sagte Garretsen. »Paar Bierchen trinken, mit einer Whiskypulle im Nebel herumlaufen. Apropos: Lass uns den Absacker hier und jetzt nehmen!«
    Sie ließen die Flasche kreisen.
    »Aber dem Typen gegenüber hätten wir wirklich eins überziehen sollen«, meinte Garretsen. »Es wäre das Richtige gewesen.«
    Jeder nahm noch einen Schluck.
    »Bringt das mit den Baustellen in Ordnung«, sagte Garretsen noch. Kobusch nickte.
    »Kommst du mit zur Straßenbahn?«, fragte Riedel.
    »Mein Hotel ist nur ein paar Minuten von hier. Wenn ich das in der Nebelmiege überhaupt finde. Wahrscheinlich sind wir dreimal dran vorbeigelaufen.«
    Sie umarmten sich und gingen auseinander. Nach ein paar Metern drehte Riedel sich noch einmal um. Die beiden anderen waren schon nicht mehr zu sehen.

Wolffs Liebe
    Wolff stand über den Dingen. Er konnte die ganze Stadt sehen. Das war keine Kunst, denn die Stadt war nicht besonders groß. Er fühlte sich, allerdings nur kurz, wie einer der Engel in diesem alten Film, bloß war das hier nicht der Himmel über den offenen Enden von Berlin, sondern der über den abgeschlossenen Geschichten der Stadt, in der er aufgewachsen war.
    Bodentiefe Fenster im zehnten Stock eines Hotels hatten ihren Reiz.
    Er ging ins Bad, zog sich aus und betrachtete sich im Spiegel. Für einen Mann von knapp über siebzig hatte er einen ausgezeichneten BMI . Die Drogen in den Sechzigern und Siebzigern hatten ihn schlank gehalten.
    Er duschte und föhnte sich hinterher die Haare, verzichtete

Weitere Kostenlose Bücher