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Rampensau

Titel: Rampensau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Blum
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hatte Dörthe mit verschränkten Armen am ersten Fenster gestanden. »Sein Gewissen? Ich dachte, ich spiele seine Geliebte. Hast du mir das nicht so erklärt? Er ist krank und pleite, tut aber noch so, als wäre er Multimillionär und ein gewiefter Geschäftsmann, der allerdings …«
    Carlo lief zu ihr hinüber und packte sie an den Schultern. Für einen Moment sah es so aus, als würde er sie angreifen. Kim wappnete sich, einen Warnruf auszustoßen, doch mit einem Ruck ließ Carlo wieder von ihr ab.
    »Ich habe die erste Fassung komplett umgeschrieben. Ich musste eine Figur einführen, die von all den Schweinereien weiß, die Bornstein begangen hat – sein Aufstieg vom kleinen Wäschereibesitzer zum Hauseigentümer, der Mieter auf die Straße setzt, dann die Erpressung des Bürgermeisters mit den Pornobildern, um ein bestimmtes Grundstück zu bekommen. Seine Machenschaften als Verleger, wie er seine Autoren betrügt … Niemand weiß all das, nur sein Gewissen.«
    »Aber hast du nicht gesagt, er habe gar kein Gewissen? Geht es nicht darum, den Prototyp eines gewissenlosen Menschen auf die Bühne zu bringen?« Dörthe war nicht überzeugt. Sie legte ihre schöne Stirn in Falten.
    »Ja, genau!« Carlo klatschte in die Hände, woraufhin seine Papiere zu Boden fielen und sich um ihn ausbreiteten. »Er und sein Gewissen haben sich entzweit – sie gehören nicht mehr zusammen. Genau das stelle ich dar. Außerdem kannst du sehen, dass ich Feminist bin. Bornstein ist ein Mann und böse – sein Gewissen hingegen ist weiblich und gut.« Er lächelte Dörthe gewinnend an, und sie fiel darauf herein. Zumindest sagte sie: »Verstehe, auch wenn es noch etwas verwirrend klingt.«
    Cecile hatte Berti mittlerweile einmal über die Wiese geführt. Che hatte sie keines Blickes gewürdigt, und Brunst hatte in neuer Rekordzeit alles Fressen vertilgt, das das Wollschwein übrig gelassen hatte.
    Edy blickte vom Zaun zu ihnen herüber. Auch er musterte das Wollschwein interessiert, aber nein, bemerkte Kim, Edy war ja schon mit dem Fahrrad weg. Die Gestalt am Zaun konnte gar nicht Edy sein. Sie hatte kurze weiße Haare.
    Der Mann hielt sich ein Gerät vor die Augen. Sein Kopf glitt hin und her, einmal verharrte er kurz. Dann wanderte sein Blick weiter.
    Neugierig lief Kim auf ihn zu. Was suchte der Mann? Ja, er hielt offenkundig nach etwas Ausschau.
    Kaum war Kim an Che vorbeigelaufen, drehte der Mann sich um und verschwand im Wald.
    Kim beschloss, bis zum Nachmittag zu warten, bevor sie sich auf die Suche nach Lunke machte. Der Himmel war so blau und wolkenlos wie schon in den Wochen zuvor. Kim spürte ihre Müdigkeit. Sie hatte ein paar Reste Kohl und Trockenfutter gefressen und sich unter ihren Apfelbaum am Stall gelegt. Schlafen konnte sie jedoch nicht. Im Hintergrund hörte sie Bertie unaufhörlich reden.
    »Für mich ist es wesentlich, alles positiv zu sehen«, erklärte er Cecile, die jedes Wort, das er aussprach, förmlich aufsaugte. »Ich gehe auf jedes Wesen mit einem Lächeln zu. Lächeln ist ganz wichtig, und ich sage zu jedem: ›Ich will dir nur Gutes tun – wie kann ich dir helfen?‹ Und deswegen bekomme ich auch nur freundliche Rückmeldungen. – Na, bis auf ein, zwei Ausnahmen. Auf dem letzten Hof, wo ich war, sollte ich schnöde ein paar Damen begatten. Das nahm keinen besonders glücklichen Ausgang. War mir irgendwie alles ein wenig zu … grob.« Er seufzte. »Manchmal wird meine Freundlichkeit auch ausgenutzt oder … missverstanden.«
    »Könnt ihr nicht endlich mal das Maul halten?«, knurrte Brunst irgendwann herüber.
    Cecile antwortete daraufhin wütend: »Lass Bertie doch! Er erzählt tolle Geschichten, und ich lerne so viel von ihm – über Freundlichkeit und solche Sachen.«
    Kim konnte sehen, dass Brunst am liebsten zu den beiden herübergekommen wäre, um sich erst auf die winzige Cecile und dann auf Bertie zu stürzen. Mühsam rappelte sie sich auf und zwängte sich durch das Loch im Zaun, das Dörthe, wie sie vermutete, ihr zuliebe gelassen hatte.
    Nachmittags war es anders im Wald. Licht fiel durch die hohen Bäume und malte weiße Flecken auf den Boden, die mit jedem Windstoß ihre Form veränderten. Es roch auch anders, Insekten flogen umher, Vögel sangen träge, und die wilden Schwarzen ließen sich nicht blicken.
    Schon von Weitem erkannte Kim, dass sich an der Stelle, wo der Tote in dem Auto gesessen hatte, noch Menschen aufhielten. Sie trugen weiße Kleidung, bückten sich, richteten

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