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Rampensau

Titel: Rampensau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Blum
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sich wieder auf und schritten weiter. Kaum einer sagte einmal ein Wort. Die dunkelrothaarige Polizistin, die Dörthe besucht hatte, lehnte in einiger Entfernung an einem Baum und sprach in einen kleinen silberfarbenen Apparat hinein, von dem Kim mittlerweile wusste, dass jeder Mensch einen besaß, um sich mit anderen Menschen, die gar nicht da waren, zu unterhalten. Was die Frau sagte, konnte sie von ihrem Platz hinter einem ausladenden Farn leider nicht verstehen.
    Der kantige, gelbe Wagen mit dem kaputten Fenster stand immer noch da – er wirkte nun noch größer als in der Nacht. Den Toten hatte man jedoch entfernt, es lag auch kein Geruch von Blut mehr in der Luft, und Hunde waren zum Glück auch keine mehr da. Sie konnte aber noch genau erkennen, wo sie ihr widerwärtiges Geschäft verrichtet hatten.
    »Hi, Babe«, raunte Lunke ihr unvermittelt ins Ohr.
    Sie erschrak, obwohl sie damit gerechnet hatte, dass er auftauchen würde.
    »Siehst zum Anbeißen aus, Kleine«, fuhr Lunke lächelnd fort.
    Kim funkelte ihn finster an. »Noch so eine Bemerkung, und ich schreie am helllichten Tag jedem zu, der mir begegnet, dass du eigentlich Fritz heißt. Che wäre begeistert, das zu wissen.«
    »Überleg dir mal eine andere Drohung – wird allmählich langweilig«, erwiderte Lunke, doch das Lachen war ihm augenscheinlich vergangen. Er blickte zu den weißgekleideten Menschen hinüber. »Die Leute tun schon die ganze Zeit nichts anderes als hin und her zu laufen. Nur der Tote ist weg, wurde mit einem großen schwarzen Auto abgeholt.«
    Ein Lastwagen mit einem Kran rumpelte über den Feldweg. Die Polizistin baute sich vor ihm auf und dirigierte den Fahrer zu dem gelben Auto, in dem der Tote gesessen hatte.
    Aufmerksam beobachtete Kim, wie der Kran ausschwenkte und das gelbe Blechmonstrum verladen wurde.
    »Menschen sind so«, bemerkte Lunke, »halten sich mit allem viel zu lange auf. Wir Schweine hingegen denken mehr an unser Vergnügen. Jetzt zum Beispiel wäre eine wunderbare Zeit, um im See …«
    »Sie suchen Spuren«, unterbrach Kim ihn, ohne den Blick zu wenden. »Sie wollen immer wissen, wer einen von ihnen umgebracht hat.« Plötzlich fiel ihr der schwarze Schwan ein. »Heute Nacht«, sagte sie und fixierte Lunke, »hat jemand einen toten Schwan auf einem Holzpfosten an unserer Wiese abgelegt. Hast du irgendetwas davon mitbekommen?«
    Lunke klang plötzlich mittelschwer beleidigt. »Dachte schon, du fragst mich gar nicht. Ich habe doch auf der Wiese auf dich aufgepasst.«
    »Ja und?«, fragte Kim ungeduldig. »Hast du etwas gesehen?«
    Lunke runzelte die Stirn und wandte den Blick, als würde ihn plötzlich interessieren, warum die weißen Menschen sich ständig bückten und den Boden absuchten, aber Kim wusste, dass es nur ein Trick war, um ihre Anspannung zu steigern. »So einfach ist das nicht«, sagte er. »Ich habe vielleicht etwas gesehen – nein, ganz sicher habe ich etwas gesehen, aber ich kann es dir nicht so ohne weiteres anvertrauen.«
    »Und warum nicht?« Kim wurde immer ungeduldiger.
    »Du solltest freundlicher zu mit sein. Stattdessen drohst du mir … Unter diesen unerfreulichen Umständen kann ich dir beim besten Willen nichts verraten, nicht einmal die kleinste Beobachtung, die ich ohne jeden Zweifel gemacht habe.« Er drehte den Kopf und begann mit seinem Rüssel lustlos die Erde zu durchstöbern.
    Kim atmete tief ein. Lunke spielte mit ihr – das wusste sie genau, aber im Moment blieb ihr nichts anderes übrig, als auf dieses Spiel einzugehen, wollte sie etwas von ihm erfahren. »Also gut«, sagte sie. »Ich werde ein wenig freundlicher zu dir sein. Allerdings werde ich nicht mit dir schwimmen gehen, falls du das meinst.«
    »Es reicht mir schon, wenn du versprichst, mich nicht mehr Fritz zu nennen – unter keinen Umständen.« Er hob seinen Rüssel und rückte wieder ein Stück näher. Seine braunen Augen schauten sie forschend an.
    Kim zögerte. »In Ordnung«, erwiderte sie leise. »Fritz ist vorerst gestorben. – Und was war nun heute Nacht?«
    Lunke lachte leise und schleckte ihr über das Ohr. »Das«, grunzte er, »verrate ich dir mitten im See.« Dann preschte er so laut davon, dass sogar zwei der weißgekleideten Menschen auf dem Weg den Kopf hoben und in ihre Richtung schauten.

7
    Als Kim aus dem Wald zurückkehrte, hörte sie bereits von Weitem die erregten Stimmen von der Wiese. Nein, erregt traf es nicht ganz – erregt, wütend und überaus schlecht gelaunt war eigentlich

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