Rampensau
gelaufen, und ich …«
»Halten Sie die Klappe!«, rief Carlo. Er war blass, und in seinen Augen funkelte eine dunkle Wut.
Am liebsten würde er diese blonde Frau umbringen, dachte Kim. Ja, so sieht er aus, als würde es ihm nichts ausmachen, abzudrücken und sie zu erschießen.
Dörthe war nun auch herangekommen. Sie legte ihre Taschenlampe ab und ging neben Bertie in die Knie. »Carlo, sei vernünftig – wieso sollte sie Bertie etwas antun?«
»Das soll sie uns selbst erklären«, meinte Carlo feindselig und fuchtelte mit seiner Waffe herum.
Swara starrte ihn an. »Warum haben Sie eine Pistole? Ist die Waffe auch angemeldet?«
Kim sah, wie Carlos Mundwinkel zu zucken begann. Dann hörte sie Dörthe schluchzen.
»Mein Gott, jemand hat das Schwein mit einer Drahtschlinge umgebracht. Sieh doch!« Sie schluchzte wieder. »Hier!« Sie deutete auf das Pappschild, das Bertie um den Hals trug. »›Wir kennen Ihr Geheimnis.‹ – Wer schreibt so etwas? Was soll das?«
»Eine Drohung – wenn Sie mich fragen«, meinte Swara. Falls sie aufgeregt sein sollte, so zeigte sie es nicht. Sie richtete sich auf. »Und jemand hat dem toten Tier auch ein Handy umgehängt. Können Sie sich denken, warum?« Sie blickte Dörthe an, der stille Tränen über die Wangen rannen, wie Kim voller Rührung bemerkte. Dörthe war ein guter Mensch. Klar, manchmal nahm sie es mit der Wahrheit nicht so genau, aber wenn einem Tier oder einem Menschen ein Leid geschah, war sie stets voller Mitgefühl.
»Ich weiß gar nicht, was Sie das angeht«, sagte Carlo. Er hatte seine Pistole wieder eingesteckt, aber noch immer war er voller Feindseligkeit Swara gegenüber. »Sie verziehen sich am besten in Ihr Zelt und packen Ihre Sachen zusammen … Sonst kriegen Sie eine Anzeige wegen Tierquälerei.«
»Carlo«, sagte Dörthe schluchzend, »Swara hat recht … Dieses Handy … Was hat das zu bedeuten? …Glaubst du, dass Bornstein so weit gehen würde, ein Tier zu töten, um uns …« Sie verstummte abrupt.
Carlo beugte sich vor und riss mit einer heftigen Bewegung, die den toten Bertie kräftig durchschüttelte, das Ding ab. »Wir müssen nachdenken«, erklärte er ernst und betrachtete den silberfarbenen Apparat, als wüsste er nicht genau, wozu er da war.
Plötzlich spürte Kim, dass sich jemand neben sie geschoben hatte.
»Ein großes Unglück«, flüsterte Doktor Pik mit heiserer Stimme. »Das hat der arme Junge nicht verdient.«
Als Kim sich umwandte, sah sie, dass die anderen Schweine auch aus dem Stall getreten waren. Stumm verharrten sie am Durchgang und blickten herüber. Sogar Che stand eine gewisse Trauer ins Gesicht geschrieben.
»Bertie hat eine Drahtschlinge um den Hals«, erklärte Kim. Sie hörte selbst, wie ihre Stimme zitterte.
Carlo und Swara stritten sich noch immer. Die blonde Frau meinte, dass man die Polizei rufen müsse, während Carlo ständig wiederholte, dass sie das alles ganz und gar nichts anginge und sie am besten sofort verschwinden sollte.
»Ich habe noch nie ein totes Schwein gesehen«, sprach Kim vor sich hin. Ihre Trauer schien immer größer zu werden – wie eine schwarze Wolke, die sich auf sie legte. Als sie mit dem Transporter verunglückt war, mochten auch ein paar Schweine umgekommen sein, aber damals hatte sie nicht darauf geachtet, sondern war unter einem blauen wunderbaren Himmel einfach in die große Freiheit davongerannt.
»Glaubst du, dass Berties Seele nun eine weiße Feder wird?«, fragte sie.
Doktor Pik schnaufte. Er hatte einmal davon gesprochen, dass jedes Wesen eine Seele hatte, etwas Unberührbares, das nach dem Tod wie eine weiße Feder in den Himmel hinauffliegen würde.
»Bertie war zu freundlich und hatte kein Glück in seinem Leben – das glaube ich.« Dann drehte der alte Eber sich um und kehrte zu den anderen zurück, die immer noch stocksteif dastanden und herüberstarrten.
Kim beobachtete, dass ein dunkelblauer Wagen auf den Hof fuhr. Er rauschte mit ziemlicher Geschwindigkeit heran und bremste so hart, dass es ihr in den Ohren wehtat. Die drei Menschen, die immer noch um den toten Bertie herumstanden, zuckten panisch herum, als witterten sie eine Gefahr.
Die rothaarige Polizistin, die gestern schon da gewesen war, sprang aus dem Wagen und eilte auf die Wiese, als wüsste sie bereits, dass ein weiterer Mord passiert war.
Carlo schritt ihr entgegen; an seinen Bewegungen erkannte man, wie wütend er war.
»Frau Kommissarin«, rief er mit einer honigsüßen Stimme,
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