Rampensau
daherschritt. »Vielleicht bist du es, Brunst. Du bist fett und hässlich. Dein Anblick könnte die Menschen beleidigen.«
Anblick, der Menschen beleidigte? Was soll das denn?, wollte Kim fragen, aber da war Che schon bei Doktor Pik angekommen.
»Oder sie nehmen sich als nächstes Opfer unseren Ältesten vor – um damit ein Zeichen zu setzen, dass ihnen nichts heilig ist.«
Brunst holte tief Luft, doch Kim wusste, dass von ihm kein Widerspruch zu erwarten war.
»Was schlägst du denn vor, Che?«, fragte sie mit mühsam unterdrücktem Zorn. »Hast du eine Idee?« Kein gutes Wort hatte er über den toten Bertie verloren.
Ches Klauen scharrten über den Betonboden. »Allerdings«, sagte er mit kalter Stimme.
Kim wandte sich um.
Alle Augen waren auf Che gerichtet, der sich mitten im Stall aufgebaut hatte. Selbst Doktor Pik hatte erwartungsvoll den Atem angehalten, das Protestschwein hüllte sich jedoch in Schweigen. Kim lächelte. Sie kannte diese Kunstpausen, diese Spielchen, mit denen sich Che seiner Macht versichern wollte.
»Was denn?«, quiekte Cecile. »Was hast du denn für eine Idee?« Sie zitterte. Ihr war Berties Tod besonders nahegegangen.
Die Männer verließen die Wiese und stiegen in ihre Autos. Der verdammte stinkende Köter, der zwischendurch immer wieder in nerviges Gekläffe ausgebrochen war, wurde auch verladen. Dann rumpelten die beiden Wagen davon – mit dem toten Bertie. Kim versuchte den dicken Kloß in ihrem Hals herunterzuschlucken, sie würden das Wollschwein niemals wiedersehen.
»Wir müssen unsere Verteidigung organisieren«, erklärte Che mit lauter Stimme. »Wir werden uns nicht ohne Widerstand abschlachten lassen. Dafür brauchen wir einen Plan.«
»Einen Plan?«, fragte Brunst. Seine Kiefer mahlten wieder. Offensichtlich kaute er an etwas. Kim hatte ihn in Verdacht, dass er sich irgendwo im Stall einen geheimen Vorrat an Möhren und Äpfeln angelegt hatte.
»Ganz recht«, deklamierte Che. »Jeder Widerstand beginnt mit einem Plan und einer Organisation. Auch wir müssen uns organisieren. Ich schlage vor, dass wir uns eine feste Struktur geben. Ich bin … Nun, da der Plan von mir stammt, bin ich das Schwein Nummer eins. Brunst, du bist die Nummer zwei und damit mein Stellvertreter, und Doktor Pik ist die drei. So nennen wir uns von jetzt an auch. Das geht schneller und verwirrt unsere Gegner.«
Kim wollte einwenden, dass es den Menschen herzlich gleichgültig war, wie sie sich nannten, doch nun war Che richtig in Fahrt geraten.
»Dann müssen wir überlegen, wie wir uns verteidigen. Ich schlage vor, dass wir vor unserem Stall einen Schutzwall errichten … Dieser Wall soll die Menschen aufhalten, wenn sie uns überfallen wollen.«
»Einen Schutzwall?«, fragte Brunst verständnislos. »Du meinst, wir sollen Erde aufwerfen, um uns zu schützen? Wozu soll das gut sein?«
Che stieß verächtlich die Luft aus. »Ich werde es dir erklären, Schwein Nummer zwei«, sagte er dann in diesem selbstsicheren Tonfall, den Kim an ihm besonders hasste. »Dieser Wall ist ein Hindernis, das man überwinden muss, bevor man in den Stall eindringen kann. Außerdem können wir uns hinter dem Wall verbergen und alles beobachten, ohne selbst gesehen zu werden.«
Er machte eine Pause, als erwarte er tatsächlich Beifall. Kim warf Doktor Pik einen ungeduldigen Blick zu. Warum schwieg der alte Eber? Er war doch viel klüger als dieses aufgeblasene Protestschwein.
»Eine kleine Zwischenfrage«, wandte sie sich dann selbst an Che, nachdem Doktor Pik nachsichtig den Kopf geschüttelt hatte. Typisch für ihn – er war ständig auf Harmonie aus und wollte keinen Ärger. »Du hast bravourös durchgezählt – jedenfalls von eins bis drei. Aber was ist mit Cecile und mir? Haben wir in deiner großartigen Organisation auch eine Aufgabe?«
Che straffte sich und reckte den Kopf in die Höhe, bis er geruhte, sich langsam zu Kim umzudrehen. »Ich bin dir für deine Frage überaus dankbar, werte Kim«, rief er aus. »Wie wir alle wissen, seid ihr, du und auch die liebe kleine Cecile, weiblichen Geschlechts. Das heißt, ihr habt im Kampf nichts verloren, aber das bedeutet nicht, dass ihr nicht fast genauso wichtig seid wie wir. Eure Aufgabe wird es sein, den Stall zu hüten und Nahrungsreserven anzulegen, so dass es uns möglich sein wird, einige Zeit im Stall auszuharren, falls unsere Strategie es erfordern sollte.«
»Ja, wir brauchen unbedingt reichlich Nahrungsreserven«, warf Brunst ein,
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