Rampensau
Jahrmarktsbude mitgereist. Wieso hat Rupert tot in unserem Wald gelegen?«
»Wir ermitteln noch«, erwiderte die Polizistin. »Wahrscheinlich war er der Drogenkurier. Entweder hat er irgendwelche Leute betrügen wollen, oder er hat versucht, ein doppeltes Geschäft zu machen.«
Dörthe runzelte die Stirn. Ihr Blick glitt zu Kim. Auf einmal lächelte sie, und in ihren Augen war wieder ein kleines Licht.
Sie bekommt ein Kind, dachte Kim, Lunke und ich müssen auf sie aufpassen, so gut wir können. Jedenfalls dürfen wir das nicht einem Kerl wie Carlo überlassen. Lunke würde allerdings nicht begeistert sein – und seinen Preis dafür fordern.
»Ich glaube, Rupert wollte Schauspieler werden, träumte von einer Karriere beim Film …« Dörthes Blick glitt zu der Polizistin zurück. »Haben Sie vielleicht eine Zigarette?«
Bedauernd schüttelte Marcia Pölk den Kopf. Zum Glück, wie Kim fand, sie mochte es nicht, wenn Zigarettenstummel auf ihrer Wiese lagen.
»Rupert hat mich mal nach Adressen gefragt, wo er sich bewerben könne, weil ich ja auch Schauspielerin bin«, fuhr Dörthe fort. »Er hat irgendwo ein Zimmer im Dorf gehabt, aber eigentlich hat er in der Stadt gelebt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er etwas mit Drogen zu tun hatte …Hier bei uns hat er nicht einmal eine Zigarette geraucht, wenn ich ihm eine angeboten habe.«
Plötzlich klingelte ein Telefon, doch nur einmal, dann erstarb der Laut abrupt.
Kim schaute sich um. Hatte das Klingeln niemand sonst bemerkt? Carlo hatte sich ein Stück abseits postiert. In seiner Hosentasche hatte es geschrillt – vermutlich das Ding, das er dem toten Bertie mit Gewalt abgerissen hatte.
Kim überlegte, einen Grunzer auszustoßen, doch dann sah sie, dass schon wieder jemand auf den Hof kam. Edy radelte heran. Wie immer hatte er seine silberfarbenen Knöpfe im Ohr. Abwesend starrte er vor sich hin und ruckte mit dem Kopf vor und zurück. Hinter ihm ragte auf dem Rad ein riesiger weißer Kasten auf. Erst als er schon am Gatter angekommen war, registrierte er die Versammlung auf der Wiese. Er entfernte die Knöpfe aus seinen Ohren. Kim nahm trotz der Entfernung wahr, dass aus ihnen ein irrsinniges Scheppern und Donnern drang.
»Wer ist das?«, fragte Marcia Pölk und deutete auf Edy.
»Das ist Edy, unser Stallbursche«, erklärte Dörthe.
»Er dröhnt sich den ganzen Tag mit Musik zu«, warf Carlo verächtlich ein. »Manchmal könnte man denken, dass er nicht ganz richtig im Kopf ist.«
Edy warf seinen langen geflochtenen Zopf zurück. Er schob sein Fahrrad mit dem riesigen Kasten über die Wiese und machte ein neugieriges Gesicht – jedenfalls für seine Verhältnisse. Eine Frage brachte er allerdings nicht über die Lippen.
»Das Wollschwein ist tot«, erklärte Dörthe und musste wieder schluchzen.
Edy nickte. »Verdammt«, flüsterte er. Dann blickte er die Polizistin an. Er war noch blasser und dünner als sonst. »Sind Scheißkerle, die Schweine umbringen.« Er nickte seinen Worten hinterher. Dann rollte er mit seinem Fahrrad weiter zum Stall.
Einen Moment später rasten zwei Wagen auf den Hof. Männer sprangen heraus, und auch ein brauner Hund an einer langen Leine, der sofort zu knurren begann.
Kim spürte, wie ihr ein neuer Schrecken in die Glieder fuhr. Neugier war gut und schön, aber manchmal musste man wissen, wann es Zeit für den Rückzug war.
13
»Das also ist der Anfang«, erklärte Che mit düsterer Miene. Die Schweine hatten sich in den hintersten Winkel des Stalls verzogen.
Allein Kim hatte sich im Durchgang postiert und beobachtete die vier Männer, die auf der Wiese herumliefen. Bertie hatten sie grob und ohne jeden Respekt auf eine Schubkarre geworfen und abtransportiert. Die Trauer um das Wollschwein schnürte ihr schier die Kehle zu. Außerdem machte sie sich Vorwürfe. Hatte Paula, ihre Mutter, die in ihrem Kopf saß, nicht gesagt, dass sie auf Bertie aufpassen sollte? Verdammt, sie hatte geschlafen, statt das arme Wollschwein zu beschützen. Da war sie es ihm schuldig, wenigstens seinen Mörder zu finden. Die Männer rannten hin und her, aber warum genau, konnte Kim nicht begreifen, sosehr sie sich auch anstrengte. Von Dörthe und den anderen war nichts mehr zu sehen. Das Auto der Polizistin stand allerdings immer noch da. Vermutlich besprachen sie sich irgendwo im Haus.
»Die Menschen haben uns offen den Krieg erklärt. Fragt sich, wer der Nächste ist, den sie umbringen werden.« Kim hörte, wie Che hinter ihr
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