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Rampensau

Titel: Rampensau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Blum
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dass er ohne Spott ihren Namen ausgesprochen hatte? Also stimmte es: Er rieb sich gerne an jungen Eichen, wahrscheinlich buddelte er sie sogar heimlich aus und fraß sie mit Stock und Stiel auf.
    »Hör einfach auf damit«, sagte sie und lief weiter, obwohl sie den richtigen Weg gar nicht kannte.
    Lunke schob sich schnaufend neben sie. »Meine Mutter … sie hat mich gefragt, ob du dir vorstellen könntest, eventuell, ganz eventuell zu uns … überzusiedeln.« Verlegen warf er ihr einen Blick von der Seite zu.
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Kim, nun plötzlich ernst. »Falls Dörthe nicht zurückkommt, wird der Hof bestimmt aufgegeben. Könnte sein, dass wir dann alle im Schlachthof landen.« Sie musste unwillkürlich schlucken.
    Lunke legte seinen mächtigen Rüssel in Falten.
    Ganz weit oben schrie ein Vogel, ein anderer antwortete ihm. Der Wald erwachte.
    »Dann kommst du zu uns in den Wald – so machen wir es!«, rief Lunke aus. Mit einer heftigen Bewegung bog er in einen schmalen Seitenpfad ein und verschwand in einer Tannenschonung.
    Mit einem eigentümlichen Gefühl folgte Kim ihm. Wenn er es nun darauf anlegte, ihr diese Festung nicht zu zeigen, damit sie Dörthe gar nicht fanden? Aber wieso glaubte sie auch, dass sie klüger war als eine ganze Rotte Schwarzer? Bertie, dachte sie, Bertie muss mir helfen. Vielleicht hätte sie sich doch schlafen legen und auf einen Traum warten sollen. Nein, sie hatte ihren großen Wunsch, dass Dörthe zurückkommen möge, in die Nacht hineingewünscht, deshalb würde er auch in Erfüllung gehen.
    Ächzend lief Lunke voraus. Kim konnte ihm ansehen, dass es ihm Mühe machte, das Tempo zu halten, aber vor ihr wollte er keine Schwäche zeigen.
    »Wenn du nicht mehr kannst, können wir auch gerne eine Pause machen!«, rief sie ihm zu, doch er antwortete nur mit einem verächtlich »Pah, ich brauche keine Pause.«
    Sie liefen so lange, bis das Sonnenlicht in jeden Winkel des Waldes gekrochen war. Auch alle Vögel waren längst erwacht, und auf einer breiten Asphaltstraße, die sie überqueren mussten, fuhren schon große, schwere Autos entlang.
    Kim spürte, dass das Licht der Sternschnuppen in ihr verblasste, da deutete Lunke mit dem Rüssel nach vorne.
    »Hinter der nächsten Biegung liegt die Festung der Blutsauger«, erklärte er und bedachte sie mit einem langen Blick.
    Plötzlich begriff sie, dass er tatsächlich Angst hatte, dass da eine Frage in seinen braunen Augen stand: Kann ich vielleicht hierbleiben und auf dich warten?
    »Danke«, sagte sie. »Von mir aus kannst du dich gerne etwas hinlegen. Ich will mir die Festung nur mal kurz ansehen.«
    Er scharrte mit den Klauen im trockenen Waldboden. »Ich glaube, dass die Blutsauger bei Tag schlafen – so gesehen besteht eigentlich keine Gefahr. Außerdem sind wir zu zweit. Könnte sein, dass sie das abschreckt.«
    Kim unterdrückte ein Lächeln. Emma hatte mit ihrer Geschichte von den fliegenden blutgierigen Mäusen ganze Arbeit geleistet.
    Gemeinsam gingen sie weiter.
    Der Weg bestand aus tiefem Sand. Deutlich war zu sehen, dass hier Menschen mit Autos entlanggefahren waren. Nur wann genau, ob gestern oder vor ein paar Wochen – das vermochte sie nicht zu sagen.
    Nach einer leichten Kurve lag vor ihnen die Festung in einer Senke – drei graue, langgestreckte Betonblöcke, einer davon hatte ein rotes Dach aus Ziegeln, die anderen waren flach. Die Fensterscheiben waren schmutzig, einige waren auch kaputt. Um die Gebäude lief ein Zaun, der viel höher war als der Draht um ihre Wiese. Das Anwesen sah furchterregend aus, und irgendwie lag auch ein unangenehmer Geruch in der Luft – nach Benzin und altem Metall, aber es roch auch nach morschem Holz und frischem Gras. Und da war noch etwas anderes: Zigaretten, ja, jemand war hier gewesen und hatte eine oder mehrere Zigaretten geraucht.
    »Riechst du das auch?«, fragte Kim.
    Lunke hob den Kopf, er war immer noch eingeschüchtert. »Blut?«, meinte er. »Riechst du Blut?«
    Kim schüttelte den Kopf. »Nein.« Langsam ging sie näher und hob dabei ihren Rüssel in den sanften Morgenwind. Noch ein weiterer Geruch lag in der Luft. Kaffee – manchmal war Dörthe nicht nur mit einer Zigarette, sondern auch mit einer großen Tasse abends in den Stall gekommen, hatte sich auf den Zaun gesetzt und mit ihr geredet. »Liebe Kim, glaubst du, dass es die eine richtig große Liebe gibt? Dass man wahrhaft glücklich sein kann?« Ja, solche Fragen hatte Dörthe sich und ihr

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