Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rampensau

Titel: Rampensau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Blum
Vom Netzwerk:
Müdigkeit. Die Nacht mit den Sternschnuppen war lang und anstrengend gewesen.
    »Sollte tief genug sein, damit du durchkriechen kannst!« Stolz wies Lunke auf das Loch, das er ausgehoben hatte.
    »Sehr schön!« Kim richtete sich auf. Er hatte Sand und kleine Steine beiseitegeschaufelt und war bis zu einer dunklen bräunlichen Erdschicht vorgedrungen. Sie schaute ihn an. Seine Klauen waren voller Dreck. Insgeheim wirkte er jedoch überaus zufrieden mit sich. »Du willst nicht mitkommen?«
    »Bin nicht so scharf darauf, mit den Blutsaugern Bekanntschaft zu machen«, erwiderte er. »Außerdem muss ich mich ein wenig ausruhen. Hast du ja schon gemacht.«
    Wortlos nickte Kim. Dann beugte sie sich vor und ließ sich in das Loch hinab. Tatsächlich war es tief und breit genug für sie. Lunke hatte sich sogar bis auf die andere Seite des Zauns vorgearbeitet. Sie musste nur aufpassen, dass sich ihre empfindlichen Ohren nicht im Draht verfingen.
    Plötzlich lachte Lunke tief und kehlig. »He, Babe, sieht superblöd aus, wie du da durch die Erde kriechst!«
    Sie dachte noch über eine passende Erwiderung nach, als sie es hörte – ein Motor, weit entfernt, aber sie irrte sich nicht. Da war für Momente ein Motor zu hören gewesen.
    Auf der anderen Seite des Zauns kroch sie aus dem Loch und schüttelte die Erde ab. Sie zwang sich, Lunke keinen fragenden oder unsicheren Blick zuzuwerfen. Mochte er bleiben und sie alleine gehen lassen. Scheinbar furchtlos bewegte sie sich auf das rote Haus zu. Überall lagen Scherben auf dem rissigen Betonboden, der nach einem kurzen Streifen Sand begann. Nach drei Schritten lauschte sie. War der Motor noch zu hören? Nein, alles war still, doch irgendwie hatte sie das Gefühl, eine Grenze überschritten zu haben. Hier waren merkwürdige Dinge vorgegangen. Es war, als würden längst vergangene Geräusche durch die Luft wehen – Menschen hatten geschrien, waren in schweren Stiefeln umhergeschritten, hatten Schüsse abgegeben. Diese Klänge der Vergangenheit, die noch nicht wirklich vergangen waren, hatten Emma dazu gebracht, Lunke und den anderen die Geschichte von den Blutsaugern zu erzählen, um sie davon abzuhalten, hier herumzulaufen.
    Solche Orte gab es, magische Orte, die über viele Jahre etwas festhielten. Ihre Mutter hatte ihr einmal von einer Glücksquelle erzählt, einer Stelle auf ihrer Wiese, wo Wasser einfach aus dem Boden geflossen war; jeden, der dieses Wasser getrunken hatte, hatte es glücklich gemacht.
    Lunke blieb tatsächlich stocksteif vor dem Zaun stehen und blickte ihr nach.
    Nun, sie würde sich keine Blöße geben, nahm Kim sich vor. Sie würde keine Furcht zeigen, jedenfalls würde sie nicht nach ihm rufen.
    Sie musste einer alten rostigen Dose ausweichen, dann stand sie vor dem Haus. Eine Treppe führte zu der grauen Tür, die halb offen stand, wie sie nun erkannte. Oben auf der Schwelle lag ein roter Stoffschuh. Kim blinzelte. Sie kannte den Schuh, obwohl sie ihn bisher nie wirklich wahrgenommen hatte. Vorsichtig erklomm sie die Stufen, dann reckte sie den Rüssel vor.
    Dörthes Geruch haftete an dem Schuh – daran gab es keinen Zweifel.
    Sie spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte. Lunke hatte sich immer noch nicht gerührt. Bestand seine Absicht darin, sie auf die Probe zu stellen – ob sie wirklich so mutig war, wie sie tat?
    He, wollte sie ihm zurufen, ich habe Dörthes Schuh gefunden, du solltest auch kommen, aber sie wusste, dass ihn dieser Schuh kein bisschen interessierte.
    Sie stieß mit dem Rüssel die Tür auf, die mit einem lauten, schrecklichen Knarren, das sie zurückweichen ließ, nachgab. Ein widerlicher Geruch schlug ihr entgegen. Moder, Fäulnis, irgendetwas in der Art. Sie liebte es, brackiges abgestandenes Wasser zu riechen oder einen Erdhaufen voller Würmer, aber dieser Gestank ließ ihre Borsten im Nacken in die Höhe schießen.
    Irgendetwas war hier ganz und gar nicht in Ordnung.
    Bertie, flüsterte sie stumm vor sich hin, pass wenigstens du auf mich auf! Gib mir ein Zeichen, wenn es gefährlich wird.
    Auf dem Steinboden hier drin lagen ebenfalls schmutzige Glasscherben. Der Schatten, den sie von draußen hinter der eingeschlagenen Fensterscheibe gesehen hatte, war ein Stuhl, über dem eine graue Decke hing. Der Abdruck auf der Decke verriet, dass dort vor kurzem noch jemand gesessen hatte. Frische Zigarettenkippen neben dem Stuhl bestätigten diesen Verdacht.
    Kim hielt die Luft an.
    Ein zweiter Stuhl, der nur noch drei Beine

Weitere Kostenlose Bücher