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Rampensau

Titel: Rampensau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Blum
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hatte, befand sich ein Stück rechts von dem Fenster. Auf die Sitzfläche hatte jemand einen Kaffeebecher und eine erloschene Kerze gestellt.
    Zigaretten und Kaffee – waren die Gerüche aus diesem Raum gedrungen, die sie draußen wahrgenommen hatte? Einerseits sah es eindeutig so aus, andererseits wurde sie auf einmal unsicher. In dem Haus herrschten andere Gerüche vor.
    Kim hatte sich immer noch nicht von der Tür wegbewegt, damit sie jederzeit fliehen konnte.
    Ein Tisch befand sich auch noch in dem Zimmer. Über ihm hingen ein paar alte verblichene Bilder, auf denen lächelnde Menschen in olivgrüner Kluft zu sehen waren, zwei von ihnen präsentierten voller Freude ihre Gewehre. Kim schüttelte sich. Eine zweite graue Decke war über dem Tisch ausgebreitet worden. Unter dem Stoff zeichnete sich deutlich eine Form ab, die eigentlich nur eines sein konnte.
    Sie wollte diesen Gedanken gar nicht denken, doch er stellte sich ganz von selbst ein.
    Da, von dem Stoff verdeckt, lag ein Mensch – ein Mensch, der sich nicht regte und auch nicht atmete.
    Dörthe fiel ihr ein – draußen ihr roter Schuh, hier ihr kalter Leichnam, nur von einer schmutzigen Decke verhüllt.
    Der Schrei nach Lunke steckte in ihrer Kehle fest.
    Ganz langsam und ohne mit ihren Zehen auf dem Steinboden ein Geräusch zu verursachen, löste sie sich von der Tür. Rechts von ihr gähnte sie ein tiefes Loch an, da führte eine Treppe in eine konturlose Dunkelheit. Direkt vor ihr erspähte sie noch eine Tür, die offen stand und den Blick in ein weiteres Zimmer freigab, in dem es muffig roch, doch Kim versuchte sich auf den Tisch mit dem verhüllten Körper zu konzentrieren.
    Es kann nicht Dörthe sein, die da liegt, sagte sie sich, und wenn sie es ist, schläft sie nur … atmet zu leise, als dass ich sie hören könnte … Die Sternschnuppen … sie hatte sich doch gewünscht, dass Dörthe kein Leid geschah …
    Sie stieß einen leisen Grunzer aus, als müsse sie sich selbst ankündigen, was sie als Nächstes tun würde, dann nahm sie die Decke ins Maul und zupfte daran.
    Eine Hand kam zum Vorschein – sie war so fahl, dass sie gar nicht mehr wie die Hand eines Menschen aussah. Alte welke Möhren, die aber immer noch gut schmeckten, konnten so eine Farbe haben. Hatte Dörthes Hand sich dermaßen verändert, dass sie so hässlich geworden war?
    Kim zog vorsichtig weiter an der Decke. Das Tuch schien jedoch plötzlich Widerstand zu leisten, als sperrte es sich dagegen, freizugeben, was es verbarg. Den widerwärtigen Stoff im Maul atmete Kim einmal durch, dann zerrte sie die Decke so heftig zurück, dass sie sich aufblähte, zu Boden fiel und dabei den Stuhl mit dem Becher und der Kerze umriss. Ein hohler Knall hallte durch den Raum, als der Becher zersprang.
    Gegen ihren Willen zuckte Kim zusammen und wandte den Kopf. Am liebsten hätte sie die Augen ganz fest geschlossen.
    »Was tust du da?«, raunte Lunke hinter ihr. Er blickte sie ernst an.
    Ein Gefühl der Erleichterung überwältigte sie beinahe. Lunke hatte es doch nicht über sich gebracht, sie allein in dieses seltsame Gebäude gehen zu lassen.
    »Ist es Dörthe?«, fragte sie leise.
    Er schnaubte leicht verärgert, als wäre sie ein kleines dummer Ferkel. »Stimmt mit deinen Augen etwas nicht? Sieh doch selbst hin!«
    Lunke schob sich an ihr vorbei, und dann wagte sie wieder, sich umzudrehen.
    Sie sah die weißen Haare von Sven, sah sein totes, wächsernes Gesicht, die Zunge hing ihm nicht mehr aus dem Mund, und er trug kein Gestell vor den Augen, aber er wirkte auch so furchterregend genug.
    »Das ist der Mann, der immer um den Hof geschlichen ist – er hat auch den toten Schwan auf den Pfahl gelegt«, sagte Lunke.
    Kim brachte kein Wort heraus, sondern nickte nur. Für einen winzigen Moment hatte sie vor Augen, wie der andere Mann, der Mats hieß, sich den weißhaarigen Toten über die Schulter geworfen hatte und mit ihm weggegangen war. Aber warum hatte er ihn ausgerechnet hierhergebracht? Die Antwort war einfach: damit ihn niemand fand und auf dem Hof herumstöberte.
    »Wir sollten wieder gehen«, sagte Lunke beschwörend. Seine braunen Augen fixierten sie. »Ich habe kein gutes Gefühl.«
    Er hatte recht – kein Zweifel! Dann jedoch hörte sie den Motor wieder, immer noch weit entfernt, aber so deutlich in der frühen Morgenluft zu vernehmen, dass auch Lunke zusammenzuckte.
    »Komm!« Sie versuchte zu lächeln. Auch wenn er ein wilder Schwarzer war  – jetzt war sie es, die

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