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Rampensau

Titel: Rampensau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Blum
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gedreht wurde, sah sie ein rotes Kleid, blasse Waden, nackte, schmutzige Füße.
    Ein tiefer Schrecken durchfuhr sie vom Kopf bis in die Schwanzspitze.
    Dörthe saß da in diesem Stuhl – oder besser gesagt eine Person, die Dörthe vage ähnelte. Der Kopf war ihr auf die Brust gesunken, Speichel lief ihr aus dem schiefen Mund, mit offenen Augen glotzte sie vor sich hin. Sie war lebendig – und wirkte doch wie tot.
    »Bertie«, flüsterte Kim voller Entsetzen. »Das kann nicht sein!«
    Auch Lunke schnaufte angespannt auf.
    »Wir mussten sie ein wenig betäuben – damit sie uns nicht erkennt«, bemerkte Bornstein, als er Carlos vor Schreck geweitete Augen sah. »Verstehst du sicher.« Mit einer befehlenden Handbewegung bedeutete er Michelfelder und Mats, den Rollstuhl zu Carlo zu schieben. »Kannst die Lady jetzt mitnehmen. Das Kabriolett bringt Mats dir später.«
    »Ich weiß nicht«, stammelte Carlo. »Ich bin mir nicht sicher, ob das eine so gute Idee ist. Seid ihr sicher, dass sie in Ordnung ist?«
    »Keine Sorge, wir haben alles im Griff.« Bornstein lachte erneut humorlos auf.
    Kim spürte heiße Wut in sich aufsteigen, dann dachte sie an ihren Schwur und an das Kind, das in Dörthe heranwuchs.
    Im nächsten Augenblick, während die Wut sie buchstäblich zittern ließ, geschah jedoch etwas, das die vier Männer in vollkommenes Erstaunen versetzte.
    Dörthe erhob sich mit einem jammervollen Seufzen, sie machte eine Geste, als wollte sie vor ihren Peinigern wegrennen – oder als wollte sie sich vor ihnen verneigen, ganz war das nicht auszumachen, denn einen Wimpernschlag später, kaum hatte sie einen schwankenden Schritt getan, stürzte sie und fiel, ohne einen weiteren Laut von sich zu geben, frontal auf ihr Gesicht.
    »Lunke, ich kann nicht mehr warten!«, schrie Kim und stürmte aus ihrem Versteck auf den Betonplatz.

24
    Wenn sie ehrlich war, hatte sie schon oft davon geträumt – von einem imposanten Auftritt in einer Manege, so wie Doktor Pik es ihr von seinem Wanderzirkus erzählt hatte, wenn sie nachts im Stall gelegen hatten und nicht schlafen konnten, weil ihnen der Vollmond ins Gesicht schien. Ein Vorhang öffnete sich, wunderbare Musik erklang, und sie trat heraus, Kim, die Rampensau, hatte ihren Auftritt, bewegte sich ins gleißende Licht, Applaus der Menschen brandete auf, und alle Augen waren erwartungsvoll auf sie gerichtet. Welche Kunststücke würde sie vorführen – mit welchen artistischen Einlagen würde sie ihr Publikum in Atem halten?
    In ihrem Rücken hörte Kim nur ein lautes »Nein!«, das Lunke ihr hinterherschleuderte.
    Über dem Platz hing das Gesicht von Bertie. Er nickte ihr lächelnd zu. Ja, es war richtig, was sie tat.
    Kim grunzte übermütig, knurrte dann, beinahe als wäre sie ein gefährlicher Hund.
    Die Männer stoben wild gestikulierend und völlig überrumpelt auseinander.
    Hinter ihr rief Lunke noch einmal »Nein« – und »Das ist doch Wahnsinn!«, aber sie würde es nicht zulassen, dass diese Männer sich weiterhin an Dörthe und ihrem Kind vergriffen.
    Zuerst nahm Kim sich Bornstein vor. Sie biss ihn ins Bein, so dass er mit einem lauten Schrei zurückwich. Michelfelder floh ängstlich in den schwarzen Kastenwagen, wie sie aus dem Augenwinkel wahrnahm, während Mats in seine Tasche griff und eine schwarze Waffe hervorholte. Er gab einen lauten Schuss in die Luft ab, von dem Kim sich jedoch nicht einschüchtern ließ. Mit einem heftigen Kopfstoß und einem weiteren schrillen Grunzer trieb sie Bornstein endgültig von dem Rollstuhl weg, der in dem Tumult umgekippt war. Dörthe lag immer noch am Boden, hatte die Augen geschlossen, doch ein seliges Lächeln erhellte ihr Gesicht und ließ es wieder lebendiger erscheinen, als würde sie spüren, dass Kim zu ihrer Rettung gekommen war.
    »Schafft mir diese Bestie vom Hals!«, brüllte Bornstein nach Kims zweitem Angriff.
    Kim bemerkte, dass Mats die Waffe tatsächlich auf sie gerichtet hielt.
    Bertie, dachte sie, du hast versprochen, dass alles gut geht. Doch mit einem Schlag verließ sie alle Kraft. Die Knie wurden ihr weich, ihr Herz pumpte offenbar kein Blut mehr, sondern nur noch heiße Luft. Was habe ich für eine Dummheit gemacht?, war der letzte Gedanke, der ihr durch den Kopf ging.
    Der Knall war noch lauter als der erste, Bornstein und Mats schrien gleichzeitig auf, und Lunke grunzte kehlig.
    Als Kim sich umdrehte, sah sie, dass beide Männer sich am Boden wälzten. Offensichtlich hatte Lunke beschlossen,

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