Rampensau
entdeckte Kim, dass ein Messer mit einem riesigen schwarzen Griff aus seinem Rücken ragte. Ihr Herz begann so laut zu schlagen, dass es ihr in den Ohren dröhnte.
»Mausetot«, grunzte Che, der plötzlich neben ihr auftauchte. »Ermordet – unser werter Herr und Meister.« So gehässig sprach er oft über Munk.
Kim spürte, dass sie zu zittern begann.
»Ich weiß auch schon, wer es war«, fuhr Che ungerührt fort und begann an dem Messer zu schnüffeln, das in Munks Rücken steckte. »Nur Kaltmann bringt so etwas fertig, der Schlächter aus dem Dorf.«
2
Sie legte sich direkt vor Munk, um ihn zu beschützen. Die Neugier der anderen hatte sich schnell gelegt; jeder war kurz vorbeigekommen, hatte einen Blick auf Munk geworfen und ratlos vor sich hin gegrunzt. Nur Doktor Pik hatte nichts von sich gegeben. Kim aber saß der Schrecken noch immer in den Gliedern, und sie wusste, dass sie nicht tun konnte, als wäre nichts geschehen. Menschen starben nicht einfach so, mit einem langen Messer im Rücken, und schon gar nicht jemand wie Munk. Auch wenn Che immer etwas anderes behauptete, wusste Kim genau, dass Munk ihr Retter gewesen war. Wären er und Dörthe nicht gewesen, wären sie alle längst an jenem dunklen Ort gelandet, wo die meisten ihrer Artgenossen endeten: im Schlachthaus.
Bei dem Gedanken schüttelte sie sich und kroch noch etwas näher an den toten Munk heran. Im Mondlicht sah sie, wie er sich veränderte, wie sein Gesicht eine andere Färbung annahm. Der Blutgeruch stieg ihr in die Nase, und ihr wurde übel. Dann versuchte sie sich auf das Messer zu konzentrieren, es ragte aus seinem groben grauen Flanellhemd, das sich mittlerweile hässlich rot gefärbt hatte. Auch an dem Griff klebte ein bestimmter Geruch, doch sie konnte nicht sagen, wonach er roch.
Unvermittelt tauchte Brunst neben ihr auf. Mit seinem massigen Körper versuchte er, sie zur Seite zu drängen. »Wir könnten ihn fressen«, sagte er. »Jetzt – auf der Stelle. Das wäre mal was ganz anderes.« Er beugte sich vor und schnüffelte Munks blutige Hand ab, die er von sich gestreckt hatte, als wollte er auf etwas deuten.
»Verzieh dich!«, giftete Kim ihn an und stieß ihn in die Seite.
Brunst kicherte leise. »War nur Spaß«, sagte er und wandte sich ab. Zum Glück war er satt und müde. Sonst wäre ihm alles zuzutrauen gewesen.
Kim legte sich so, dass sie die anderen im Auge behalten konnte. Cecile war eingeschlafen und hatte sich ins Stroh gekuschelt. Che schnarchte leise und zuckte manchmal mit den Hinterläufen. Der helle Streifen auf seinem Fell, der ihn von den anderen unterschied und auf den er so stolz war, leuchtete im Mondlicht. Brunst rührte sich nicht, genauso wenig wie Doktor Pik, aber bei ihm war Kim sich nicht sicher, ob er sie nicht insgeheim beobachtete.
Gleichzeitig lauschte sie auf Geräusche aus dem Haus. Wo war der Schatten, den sie in der Tür gesehen hatte? Und wo war Dörthe? Müsste sie nicht kommen und merken, dass mit Munk etwas ganz und gar nicht in Ordnung war?
Eigentlich war Dörthe ihre Retterin. Kim erinnerte sich genau. Sie waren zwanzig gewesen, zwanzig rosige Hausschweine auf einer engen Ladefläche, die sich aneinander rieben. Sie hatten Angst gehabt, und als eines von ihnen angefangen hatte, laut zu schreien, hatten es ihm alle gleichgetan, doch es hatte nichts genutzt. Niemand kümmerte sich um sie, nicht einmal Wasser hatte man ihnen gegeben. Dann aber war der Boden unter ihnen ins Schlingern geraten. Sie wurden hin und her geworfen und stürzten übereinander. Ein lautes Krachen, das gar nicht enden wollte, folgte. Kim hatte vor Panik die Augen geschlossen und den Atem angehalten. Ihr Herz hatte so schnell geschlagen, dass es wehtat. Als sie die Augen wieder öffnete, war der Himmel über ihr gewesen, ein blauer, riesiger Himmel, wie sie ihn noch nie gesehen hatte. Schnell war sie dem Himmel entgegengekrochen, vorbei an den anderen, die tot oder ohnmächtig dalagen. Was war passiert? Das riesige stinkende Gefährt, in das man sie gepfercht hatte, lag auf der Seite. Menschen liefen aufgeregt umher, Motoren heulten. Was sollte sie tun? Sie lief weiter auf den blauen Himmel zu, obwohl ihr Kopf schmerzte, sprang über einen schmalen Graben, über dem Mücken tanzten, rannte und rannte, und schließlich versteckte sie sich, als sie vor Anstrengung kaum noch Luft bekam. Dort, in dem Gebüsch, machte sie sich ganz klein und sah den Vögeln zu.
Und da hatte Dörthe sie gefunden und
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