RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
ist
dem Werkmeister zu verdanken.«
»Nicht so bescheiden!«
»Ich verabscheue Schmeichler.«
»Du schätzt mich wohl nicht sehr.«
»Ich hoffe, das beruht auf Gegenseitigkeit.«
»Ich bin hierhergekommen, um Besinnung und Erbauung zu
finden. Ramses’ Ernennung war ein harter Schlag, das gebe ich zu, aber
irgendwann muß man sich mit der Wirklichkeit ja abfinden. Die Stille dieses
Tempels wird mir dabei helfen.«
»Möge es dir gelingen.«
»Laß dich durch deine Freundschaft zu Ramses nicht
blenden. Mein Bruder hegt keine ehrenwerten Absichten. Wenn du Ordnung und
Gerechtigkeit liebst, solltest du die Augen nicht verschließen.«
»Mißbilligst du die Entscheidung deines Vaters?«
»Sethos ist ein außergewöhnlicher Mann, aber wer
begeht keine Fehler? Mir ist der Weg zur Macht endgültig versperrt, und das
bedaure ich auch nicht. Mein neues Amt füllt mich voll und ganz aus, doch wie
wird die Zukunft Ägyptens aussehen, wenn es einem Versager, einem Ehrgeizling
in die Hände fällt?«
»Was führst du im Schilde, Chenar?«
»Ich will es dir erklären, denn ich bin überzeugt, daß
dir Großes beschieden ist. Auf Ramses zu bauen wäre ein verhängnisvoller
Fehler. Wenn er morgen den Thron besteigt, kennt er keine Freunde mehr und wird
euch alle schnell vergessen haben.«
»Was schlägst du vor?«
»Hören wir auf, uns zu fügen, bereiten wir die Zukunft
vor.«
»Die deine, wie ich vermute.«
»Um mich geht es dabei gar nicht so sehr.«
»Den Eindruck habe ich nicht.«
»Du schätzt mich falsch ein. Meinem Lande zu dienen
ist mein einziges Ziel.«
»Dein Wort in der Götter Ohr. Solltest du nicht
wissen, daß sie Lügen verabscheuen?«
»Die Menschen regieren Ägypten, nicht die Götter. Mir
liegt an deiner Freundschaft, gemeinsam werden wir es schaffen.«
»Täusche dich nicht und geh jetzt lieber.«
»Du machst einen Fehler.«
»An einem Ort wie diesem möchte ich weder laut werden
noch Gewalt anwenden. Wenn du es wünschst, können wir ja außerhalb
weiterreden.«
»Das erübrigt sich, aber vergiß meine Warnungen nicht.
Eines Tages wirst du es mir danken.«
Der zornige Blick von Moses entmutigte Chenar, noch
weiter auf ihn einzureden. Wie er befürchtet hatte, war sein Plan mißlungen.
Der Hebräer ließ sich nicht so leicht erobern wie Acha. Aber auch er hatte
Schwächen, die im Laufe der Zeit erkennbar werden würden.
Dolente schob Ameni beiseite, der dem Sturmangriff der
Rasenden nicht gewachsen war. Sie stieß die Tür zum Arbeitszimmer des Bruders
auf und rauschte wie ein Gewittersturm hinein.
Ramses saß in Schreiberhaltung auf einer Matte und
schrieb einen Erlaß zum Schutz der Bäume.
»Wirst du jetzt endlich deine Pflicht erfüllen?«
»Was ist der Grund für dein unerwartetes Erscheinen,
liebe Schwester?«
»Als ob du das nicht wüßtest!«
»Hilf meinem Gedächtnis auf die Sprünge.«
»Mein Mann wartet noch immer auf seine Beförderung.«
»Wende dich an den Pharao.«
»Er weigert sich, Mitgliedern seiner Familie Vorrechte
einzuräumen, die er für ungerechtfertigt erachtet!«
»Was erwartest du sonst noch?«
Dolente wurde immer zorniger.
»Diese Entscheidung ist es, die ungerechtfertigt ist!
Sary verdient eine Beförderung, und du als Regent mußt ihn zum Oberaufseher der
Kornspeicher ernennen!«
»Ein Regent sollte gegen den Willen des Pharaos
handeln?«
»Führ dich nicht auf wie ein Feigling!«
»Den Pharao zu beleidigen ist in meinen Augen ein
Frevel.«
»Willst du mich verspotten?«
»Beruhige dich, Dolente, ich bitte dich darum.«
»Gib mir, was du mir schuldig bist.«
»Das ist unmöglich.«
»Tu doch nicht so, als wärest du unbestechlich! Du
bist wie alle anderen, verbünde dich mit den Deinen!«
»Du bist doch sonst so friedfertig.«
»Ich habe mich nicht von Chenars Tyrannei befreit, um
mich nun deiner zu unterwerfen. Hältst du an deiner Weigerung fest?«
»Begnüge dich mit dem, was du hast, Dolente. Habgier
ist ein tödliches Laster.«
»Behalt sie für dich, deine veralteten
Moralvorstellungen«, fauchte sie und verschwand.
Im Garten von Iset, der Schönen, wuchsen majestätische
Sykomoren, die wohltuenden Schatten spendeten. Die junge Frau suchte dort
Kühlung, während Ramses junge Setzlinge in den lockeren und gut vorbereiteten
Boden pflanzte. Das Blattwerk über ihm raschelte in der sanften Brise, die von
Norden kam. Streckte dieser Baum, in dem die Gottheit Hathor sich so gerne
verkörperte, nicht seine grünen Äste hoch ins
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