Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
des Pharaos zu widersetzen?»
Durch die Magie der Rituale schickte der König die Seelen der Feinde aus dem Süden gen Norden, die der Feinde aus dem Norden gen Süden, die aus dem Westen gen Osten und die aus dem Osten gen Westen. Dank dieser Umkehrung der Himmelsrichtungen, die Abu Simbel der Welt entrückte, würde die Stätte gegen alle menschlichen Leiden gefeit sein, und das Feld magischer Kräfte, das die Königin um die künftigen Bauwerke herum schuf, würde sie gegen alle Angriffe von außen schützen.
In der kleinen Kapelle vor der Fassade des großen Tempels brachte Ramses der Maat die Liebe dar, die ihn mit Nefertari verband, auf daß das dem Licht vermählte Königspaar, von dessen Eintracht Abu Simbel für alle Zeit künden sollte, die göttlichen Wirkkräfte heraufbeschwören konnte, den Lebensquell, aus dem das Volk Ägyptens gespeist wurde.
Unter der Aufsicht von Ramses und Nefertari wurden der Tempel des Königs und der Tempel der Königin geboren. Die Handwerker drangen ins Innere des Sandsteins vor, um dort dem Allerheiligsten Raum zu schaffen. Der Fels sollte in einer Breite von sechsundsiebzig Ellen und bis zu einer Höhe von Sechsundsechzig Ellen behauen und
geformt und
einhundertsechsundzwanzig Ellen tief ausgehöhlt werden.
Als Ramses’ und Nefertaris Namen zum erstenmal in den Stein von Abu Simbel gemeißelt wurden, erteilte der König den Befehl zum Aufbruch.
«Kehrst du nach Pi-Ramses zurück?» fragte Setaou.
«Noch nicht. Zuvor werde ich noch weitere Stätten in Nubien ausfindig machen, an denen ich Heiligtümer errichten lasse.
Viele Götter und Göttinnen werden in diesem Land des Feuers wohnen, und du wirst die Anstrengungen unserer Baumeister aufeinander abstimmen. Möge Abu Simbel der strahlende Mittelpunkt werden, den zahlreiche Heiligtümer umgeben, die dazu beitragen, den Frieden zu festigen. Es wird viele Jahre dauern, dieses Werk zu vollbringen, doch wir werden die Zeit besiegen.»
Bewegt, aber gefaßt blickte Lotos dem königlichen Schiff nach. Von der Kuppe des Felsens aus bewunderte sie Ramses und Nefertari, die im Bug standen, während das Boot mit dem weißen Segel über das Wasser glitt, in dem sich der Himmel Nubiens spiegelte.
Was Lotos schon immer gefühlt hatte, vermochte sie nun in Worte zu fassen: Weil Ramses Nefertari liebte und sich von ihr geliebt wußte, war er ein großer Pharao geworden.
Nefertari, die Herrin von Abu Simbel, öffnete die Wege des Himmels und der Erde.
ZWEIUNDVIERZIG
CHENAR WUSSTE NICHT MEHR WEITER. Nichts war so abgelaufen, wie er es geplant hatte. Nach den mißlungenen Versuchen, Ramses zu töten und seine Expedition nach Nubien scheitern zu lassen, hatte Chenar sich genötigt gesehen, die Flucht nach vorn anzutreten und in den tiefen Süden vorzudringen.
Die Bewohner des Dorfes, in dem er ein Boot gestohlen hatte, waren auf den unseligen Gedanken gekommen, Anklage zu erheben. Deshalb hatten ihn die Soldaten des Vizekönigs verfolgt, und ohne die Wendigkeit der nubischen Schiffer wäre er ihnen auch in die Hände gefallen. Aus Vorsicht hatte er den Kahn aufgegeben und sich in der Hoffnung, seine Spuren zu verwischen, in die Wüste geschlagen. Der kretische Söldner, sein treuester Gefolgsmann, schimpfte unentwegt über die Hitze sowie über die ständige Gefahr, die ihnen von Schlangen, Löwen und anderen Raubtieren drohte.
Aber Chenar blieb hartnäckig. Er wollte das Land Irem erreichen, um dort einige Stämme aufzuwiegeln, die imstande wären, Abu Simbel anzugreifen und die Baustätte zu zerstören.
Unruhen in Nubien würden das Ansehen des Pharaos zunichte machen. Dann würden sich seine Gegner zusammenschließen und ihn zu Fall bringen.
Der kleine, von Chenar angeführte Trupp gelangte in die Nähe der Region, in der Gold gewaschen wurde, ein verbotener Bereich, in dem eigens dafür ausgebildete Arbeiter unter der Aufsicht der ägyptischen Armee am Werk waren.
Das war die Region, deren sich die Aufständischen zuerst bemächtigen müßten, um die Lieferung des kostbaren Metalls an Ägypten zu unterbinden.
Von einer Düne aus sah Chenar die nubischen Arbeiter das in kleine Stücke zerschlagene und zerstoßene Erz waschen, dem immer noch Erdreich anhaftete. Dazu ließen sie das aus einem mitten in der Wüste gegrabenen Brunnen geschöpfte Wasser aus einer Zisterne über eine Rampe in ein Klärbecken laufen.
Die dabei entstehende leichte Strömung reichte aus, um die Erdkrümel fortzuspülen und das Gold
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