Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
geheimem Auftrag, mit der Vollmacht zu
Verhandlungen.»
«Aber… worüber willst du denn verhandeln?»
«Über den Frieden, Majestät.»
«Den Frieden… mit den Hethitern?»
«Das ist der beste Weg, zu vereiteln, daß Assyrien ein viel gefährlicheres Ungeheuer als Hatti wird.»
«Dazu sind die Hethiter nie bereit.»
«Mit deiner Unterstützung kann ich mich anheischig machen, sie zu überzeugen.»
«Hätte mir das ein anderer als du vorgeschlagen, hätte ich ihn des Hochverrats angeklagt.»
Acha lächelte.
«Das habe ich mir beinahe gedacht… Aber wer sonst als Ramses vermöchte weit genug zu blicken, sehr weit über die gegenwärtige Lage hinaus?»
«Lehren die Weisen nicht, daß es ein unverzeihlicher Fehler ist, einem Freund zu schmeicheln?»
«Ich wende mich nicht an den Freund, sondern an den Pharao. Würden wir uns darauf beschränken, kurzsichtig nur das Ereignis selbst im Auge zu haben, könnten wir uns unsere derzeitige Stärke zunutze machen und den Hethitern die Stirn bieten. Dies sogar mit der echten Aussicht, sie zu besiegen.
Nur, angesichts der wachsenden Macht der Assyrer und ihres möglichen Einflusses auf das Gleichgewicht zwischen den Ländern müssen wir uns andere Ziele als bisher stecken.»
«Aber du hast selbst von einer eher unklaren Empfindung gesprochen, Acha.»
«In meinem Amt ist es wichtig, die Zukunft vorherzusehen, sie früher zu ahnen als andere. Führen nicht oft unklare Empfindungen zu einer richtigen Entscheidung?»
«Ich habe nicht das Recht, dich ein solches Wagnis eingehen zu lassen.»
«Meinst du meinen Aufenthalt bei den Hethitern? Das wäre nicht der erste.»
«Möchtest du aufs neue Bekanntschaft mit ihren Gefängnissen machen?»
«Es gibt angenehmere Orte, doch man muß sein Schicksal zu bezwingen wissen.»
«Ich könnte keinen besseren Obersten Gesandten finden.»
«Aber ich gedenke zurückzukehren, Ramses. Außerdem würde ein sorgloses Leben mit zu vielen Geselligkeiten auf die Dauer nur meinen Geist erlahmen lassen. Kaum daß ich mich mit einigen Geliebten vergnügt, ihnen schöne Kleider geschenkt und sie ausgeführt habe, bis ich ihrer überdrüssig geworden bin, brauche ich ein neues Abenteuer, damit mein Geist rege und eroberungslustig bleibt. Dieses Wagnis schreckt mich nicht… Ich muß es nur verstehen, die Schwächen der Hethiter zu nutzen, um sie dazu zu bringen, daß sie ihre Feindseligkeiten einstellen.»
«Bist du dir darüber im klaren, Acha, daß dieser Plan vollkommen unsinnig ist?»
«Er besitzt den Reiz des Neuen und die Anziehungskraft des Unbekannten. Ist er nicht überaus verführerisch?»
«Du hast doch wohl nicht geglaubt, daß ich dir meine Zustimmung erteile?»
«Ich werde sie bekommen, denn du bist noch kein greiser, fröstelnder Herrscher, der nicht mehr imstande wäre, die Welt zu verändern. Gib mir den Auftrag, mit den Barbaren, die uns vernichten wollen, zu verhandeln, um sie zu deinen Vasallen zu machen.»
«Ich trete eine lange Reise gen Süden an, du bist dann im Norden auf dich allein gestellt.»
«Da du dich um das Jenseits kümmerst, überlasse mir die Hethiter.»
DREIUNDZWANZIG
ZWISCHEN FÜNFZEHN UND fünfundzwanzig Jahren alt, die Köpfe kahlgeschoren bis auf eine lange, zu Zöpfen geflochtene, von einer großen Spange zusammengehaltene Haarsträhne, die über die linke Wange fiel, und mit einem gefältelten Schurz bekleidet, trugen die «Söhne des Königs»
Ohrringe, einen breiten Halskragen sowie Armreife und hielten voller Stolz einen Stab in der Hand, den an seinem oberen Ende eine Straußenfeder schmückte.
Diese jungen Männer, wegen ihrer körperlichen Kräfte und geistigen Fähigkeiten ausgewählt, hatte Ramses mit der Aufgabe betraut, ihn bei den Truppen in den verschiedenen Regionen zu vertreten. Auf dem Schlachtfeld würde ihre Anwesenheit den zuweilen schwindenden Kampfgeist der Soldaten neu entfachen. Schließlich hatte der Pharao nicht vergessen, wie feig sie bei Kadesch angesichts der Hethiter und ihrer Verbündeten gewesen waren.
Die «Söhne des Königs» sollten gen Norden aufbrechen und sich um die Verwaltung der Schutzgebiete kümmern. Sie hatten von Acha strenge Anweisungen erhalten, die sie auch befolgen würden.
Und schon verbreitete sich die Legende, Ramses der Große habe als unermüdlicher und fruchtbarer Stammvater an die hundert Kinder gezeugt, die der augenfällige Beweis für die göttliche Macht des Herrschers seien. Bildhauer meißelten die Kunde von dieser
Weitere Kostenlose Bücher