Ramses Mueller
telefoniert hat?
– Ja, so, aber das ist zu einfach.
– Das ist nicht zu einfach, das ist größenwahnsinnig, bei manchen mag das zutreffen, aber warum sollen die auf der CD stehen?
– Glaubst du, all die 120 Leute, denen sie da dankt, und ich hab das nachgezählt, kennt sie persönlich? Das sind teilweise auch freundliche Techniker, oder Pizzaboten, die sie zum Lachen gebracht haben, oder der Exmann der Mutter, der jetzt grad im Knast sitzt, oder irgendwie Kellner, aber auch Verflossene, mit denen sie aber immer noch befreundet ist.
– Aber du bist noch nicht mal Techniker, Bote oder »irgendwie« Kellner, du bist gar nichts, mir scheint, du bist sogar eifersüchtig auf all die Typen, und wenn du nun Techniker oder Bote wärst, würde sie sich nicht bei dir bedanken, weil du einfach zu langweilig bist, zu uninteressant, du kommst nicht mal auch nur den Lidschlag einer Libelle an sie ran, und wenn, dann nur als perverser Stalker, und dann wirst du sofort verhaftet oder von ihren Bodyguards verhauen, mit so was verbaust du dir etwas, was dir sowieso immer verbaut bleiben wird, verbauter geht’s ja schon nicht mehr.
– Es muss ja nicht Missy Elliott sein, es kann ja auch ganz realistisch Bela B von den Ärzten oder so sein.
– Hast du dessen CD-Dankesliste auch schon durchgelesen und dich gesucht?
– Ja, sind 85 Leute drauf, ich noch nicht, das ist vielleicht realistischer als bei Missy Elliott.
– Noch nicht? Realistisch? Realistisch ist, dass du allenfalls ein unleserliches Autogramm von ihm haben kannst, das du gleich selbst schreiben kannst, und zwar auf dein Knie.
– Autogramm hab ich schon von ihm.
– So, so, dann stehst du also schon auf der untersten Stufe zur Unsterblichkeit.
– Sicher, man muss dran bleiben.
– »Unsterblichkeit« war ein Witz.
– Ich weiß, aber das ist nicht witzig, niemand ist unsterblich, nicht mal Missy Elliott und Bela B.
– Was soll DAS denn nun schon wieder?
– Das ist die Wahrheit.
– Echt? Und was ist mit dem metaphysischen Weiterleben nach dem Tod? Oder wenn man der Nachwelt etwas hinterlassen hat, Kind, Haus, oder meinetwegen die Knochen, aus denen mal ein paar Blumen rauswachsen? Da willst du doch hin, da willst du doch deine Spuren hinterlassen. Schreib doch Gästebücher voll, schreib in In ternetforen, mach ein Weblog auf oder ritz deine Initialen in Bäume oder Telefonnummer in Klowände, oder schreib bei Amazon Rezensionen, aber vergiss das doch bitte mit den albernen Dankeslisten, du bist ja vollkommen vernagelt, das hat so was Parasitäres, mir wird ganz schlecht.
– Ach so, der freundliche Kellner auf Missy Elliotts Dankesliste ist ein Parasit? Woher weißt du das?
– Herrje, da steht kein Kellner drauf! Was ist denn eigentlich, was passiert dann, wenn du das Wunder geschafft hast, bei ihr auf der Dankesliste stehst, keine Ahnung, wofür sie sich ausgerechnet bei dir bedanken will, bist du dann zufrieden, wie soll es weitergehen, was ist der Plan? Willst du mit ihr essen gehen, mit ihr ausgehen, willst du an ihre enormen Möpse, sie walken, sie heiraten, dass sie BEI DIR EINZIEHT in deine Wohnung? Du kriegst sie nicht, du wirst sie nie kriegen, spar dir deine Eifersucht. Willst du mit Bela B, wenn ich mal »realistisch« sein soll, denn ihm bist du ja durch das Autogramm schon wesentlich näher gekommen, mal um die Häuser ziehen? Dass er dein Freund wird? Dass du ihm beim Umzug hilfst? Dass du ihm deine Freundin opferst? Am besten Missy Elliott, hier, Bela, nimm sie, tu es für mich.
– Wieso? Hab ich doch gar nicht gesagt, dass ich das will.
– Nicht gesagt hast du aber auch, dass du auf ihren Listen stehst.
– Nein, das hab ich nicht gesagt, das behauptest du andauernd.
– Was suchst du denn da sonst immer, eine geheime Botschaft für dich?
– Könnte ja sein, dass ich da draufstehe, warum soll ich das ausschließen? Kennt man doch, diese Zufälle.
– Stimmt, diese Zufälle kennt man, die kennt jeder, der Kröger heißt und mal Thomas Mann gelesen hat, für all die Krögers dieser Welt hat er ja auch seinen Tonio geschrieben, das ist ja ein ungeheures Potenzial, mit Müller hätte er aber noch mehr verkauft, was für eine verpasste Chance.
– Ich heiße nicht Müller oder Kröger, ich heiße Schubal.
– Na, wunderbar, dann hast du’s ja auch in die Literatur schon geschafft, so heißt doch der Heizer in Kafkas Amerika , Kafka, Bela B, ich hab hier also keinen Niemand vor mir, wie ich bis jetzt immer angenommen habe,
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