Ramses Mueller

angebracht, wenn hier schon die sprichwörtlichen Hosen runtergelassen werden, hier im Auge des Orkans gewissermaßen, inmitten des Meers aus Krach und Frohsinn und der Götterdämmerung der heranrollenden Kopfschmerzen, man ist hier eine gegen jeden und alle Einflüsse immune Sekte plötzlich, dass er jetzt also noch ganz schnell sich vorstellen sollte:
    – Ich bin der Armin, Hosen runter, Karten auf den Tisch!
    Armin findet das lustig, die generöse Geste an diesem kleinen Tisch, dem Leidensmöbel. Lydia nimmt das dankbar auf, damit das Spiel mit den vier Assen vollständig ist, so denkt sie kurz, interessanterweise die gleiche Spielkartenmetapher wie Armin, verwirft sie aber schnell als zu pathetisch, vier Siebenen gehen ja auch, die Metapher wird sie vielleicht später mal anbringen, und sich wünschen, die Karo-Sieben zu sein, Herz-Sieben dann vielleicht Ramses? Eine schwarze Karte will sie nicht sein.
    – Also, wir hier, Armin, Schubert, Ramses und ich, das ist ja wie ein Kartenspiel …
    – Ich heiße übrigens nicht Schubert, sondern Schubal, so wie der Heizer in …
    – Hier in diesem heißen Lokal, heißen und lauten Lokal, und …
    Lydias Versuch, ihre Karten zu verteilen, wird von Ramses unterbrochen.
    – Ich muss noch was loswerden, Lydia, so schnell lass ich nicht locker, also, ihr werdet mich nicht finden, im Internet, weil das, ach, das ist jetzt doch etwas zu kompliziert, ich möchte euch das ein andermal erzählen, ausführlicher, und vor allem möchte ich, dass ihr dichthaltet, darum möchte ich euch wirklich bitten, ich vertraue euch hier in diesem Fall, und auch möchte ich, dass wir uns wiedersehen, vielleicht sogar hier, nein, zu laut, aber wo keine Musik ist, vielleicht bald mal in der Hundekehle , was meint ihr?
    Alle nicken. Armin: Aber was ist mit Schlingensief? Du hast vorhin gesagt, ihr geht da nachher zu seiner Party, als wer gehst du denn, als Ramses oder Stuckrad, als wen hat er dich eingeladen? Weiß der auch nichts von dir als Enkel? Der muss sich ja nass machen vor Glück, wenn der das weiß, der schmückt sich doch gern mit solchen historischen Figuren, Leute aus dem Fassbinder-Tross, die Wagners, Helmut Kohl und so weiter.
    Armin fürchtet schon, dass die Gruppe von ihm fordert, der Vertraute Schlingensiefs zu sein, und er sie da alle vorstellen muss, obwohl er weder eine Einladung hat noch ihn kennt, geschweige denn jemanden, der ihn kennen könnte, klein fühlt er sich plötzlich, wie so einer auf Schubals imaginären Listen, er will sich nicht verplappern, er will sich dort einfach ganz passiv verhalten, alles aufsaugen wie ein Schwamm, so tun, als ob, der Gast, der immer da ist und den keiner kennt, Verantwortung übernehmen will er aber auf keinen Fall.
    – Christoph ist einer der wenigen, die dieses Geheimnis kennen, weil er ja seine Dissertation über meinen Großvater geschrieben hat und ich ihn mal bei Terror 3000 kennengelernt hab, wo ich als Stuckrad-Double aufgetreten bin, weil Stucki da bereits schon so abgedreht und abgehoben war, ein Nervenbündel, das war nach der Engelkezeit, wo die Bild -Zeitung zum Blitzkrieg, zur öffentlichen Hatz auf ihn geblasen hat (er macht eine pantomimische Trompete), der hatte sich wie ein enttäuschtes Reh völlig zurückgezogen ins Berner Oberland, in die Schweiz also, für niemanden erreichbar, und Schlingensief hatte den aber schon als Host für Terror 3000 geplant, diese U-Bahn-Talkshow, ich bin ihm zweimal über den Weg gelaufen, einmal im Zuge seiner Dissertation in der neu renovierten Bibliothek am Wallraffplatz, wo er über Werke meines Großvaters gebeugt war und Notizen machte, da juckte es mich schon, da hab ich ihn angeredet, ich kannte ihn ja, war ja kein Unbekannter, man freut sich doch dann, da hab ich das aber noch nicht offenbart, hab ihn dann aber mal an der Volksbühne erlebt, da war irgendwas, und hinterher groß die Party, und da bin ich mit ihm ins Gespräch gekommen, wir waren dann die letzten Gäste, er ist ja unglaublich interessiert, an allem, an allen Aspekten des Lebens, des sozialen Umgangs, an Netzwerken und dergleichen, er ist ja auch ein Netzwerker, das ganze Leben eine soziale Skulptur, und sein engster Kreis weiß das mittlerweile auch, es gibt die Müllerleute, und es gibt die Barreleute, die, die heute bei ihm am Feiern sind, das sind in erster Linie Müllerleute, und ihr seid jetzt auch Müllerleute, ich werde ihm das nachher sagen, nicht, dass es zu Kollisionen kommt, es gibt da natürlich