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Ramses Mueller

Titel: Ramses Mueller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tex Rubinowitz
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Herdentrieb, du gehst, ich geh, wenn man mal nicht aufpasst, wird man mitgezogen, wie kleine Enten, die hinter der großen Ente herlatschen.
    – Welche große Ente? Gott?
    – Die Mutterente, Entenmutter.
    – Ach so, dann mach mal hier hinne, wir sehn uns draußen dann.
    Armin bleibt noch ein bisschen stehen, presst, weil er eigentlich doch muss, vier Beck’s Gold, ist Pisse, wird zu Pisse, aber es kommt nichts, er ist merkwürdig erregt, aufgekratzt, das Adrenalin vermutlich, vielleicht ist die »Weiche umgelegt«, also statt Harnröhre Samenstrang jetzt »auf Sendung«, er lächelt, der Druck der vollen Blase tut gut, er ist mit Zufriedenheit gefüllt, da ist wieder das gute Gefühl, etwas vor sich herzuschieben, eine Lücke als Chance wird es immer geben, und die wird dann nicht so profan sein wie das Klo im White Trash , das wird ein Fest.
    Die kleine Gruppe bricht auf, Schubal fl üstert Armin zu: Du kennst Schlingensief also echt.
    – Hab nichts anderes behauptet. Er denkt: Aus Behauptung wird die Wahrheit. Fühlt sich gut und spürt den Druck der Blase, ein ehrlicher Inhalt, den hab ich mir verdient, das Glück.
    Die vier verlassen das White Trash und treten hinaus in die kalte, klare Novemberluft, in der die Moleküle geordneter sind als drinnen, Schubal fällt auf, wie schön Lydia ist, ein bisschen wie Kylie Minogue, sie sieht so rein aus und paradoxerweise kleiner als drinnen auf dem Kinderstühlchen, und diese schlechte Luft im Lokal konnte ihrem Kefirteint nichts anhaben, das gesunde Weiß nicht in Grau verwandeln, zu ihrer Schönheit kommt die Unschuld in ihrem Blick, sie geht sicher nie aufs Klo zum »Stuhlgang«, denkt er, aber was macht sie dann dort? Sudoku lösen vermutlich. Natürlich hat sie Verdauung, und schneidet sich auch die Fußnägel oder kratzt sich an der Scheide, aber bei ihr und Claudia Schiffer und Donna Karan kann und will man sich das einfach nicht vorstellen müssen, anders als z. B. bei Margret Thatcher, bei der kann man sich sogar Verstopfung vorstellen, die Qual des harten Stuhls, sogar Hämorrhoiden, und wie sie sich die Fußnägel knipst, die überall im Bad herumfliegen und überall landen, vielleicht sogar in ihrem eigenen Auge.
    Vorm Lokal steht ein Taxi, sie besteigen es, Ramses vorn, hinten trauen sich weder Schubal noch Armin, Lydia in die Mitte zu nehmen, beide denken das Gleiche, das wäre obszön, wie sandwichen, sie hätte gar nichts dagegen, in der Mitte zu sitzen, haha, sie sind ja in Mitte , es ist kalt, im Taxi das übliche olfaktorische Inferno, hier aus Wunderbaum (Aloe Vera), Pfeifentabak und abgestandener Verhärmtheit, bitte nicht nach Hause schicken, sie friert, so sitzt sie da an den linken Rand gequetscht, allein gelassen, ausgesetzt wie ein kleiner Hund an der Autobahn, Ramses, am fernsten Punkt von ihr, telefoniert, kündigt wohl Schlingensief ihr Kommen an, Schubal und Armin schweigen sich an und betrachten ihre Knie, d. h., da ist immer noch mehr Kom munikation als links hinten im Taxi, wo Lydia ist, die Kleine, sie lehnt ihren Kopf, ihre blasse Backe an das kalte Fenster, um ihrer inneren Kälte mit richtiger, glatter Kälte beizukommen, Methode Gegenschmerz, in einem Moment, wo die beiden Typen neben ihr inzwischen dazu übergegangen sind, intensiv damit beschäftigt sind, ihre eigenen Eingeweide zu betrachten, und Ramses vorn fröhlich, ohne dass man etwas verstehen würde, ins Handy quatscht, und keiner zu ihr sieht, leckt sie kurz an der Scheibe, sie muss das tun, alles ist so eklig hier, sie fühlt sich verloren, sie muss aufwachen, etwas tun, was noch unvernünftiger ist, wach auf, sammle dich, gestern bist du schon nicht mit Benjamin von Stuckrad-Barre mitgegangen, heute wirst du nicht mit Ramses Müller mitgehen, mal sehn, mit wem du morgen nicht mitgehst und stattdessen Taxischeiben leckst wie ein kleines weinendes Mädchen, dessen Mutter ihm kein Eis kauft, weil sie das Geld für Zigaretten braucht, und sich nicht von dessen erdrückender Schönheit korrumpieren lässt, oder vielleicht gerade deswegen? Strafe für Schönheit, so empfand sie das damals immer. Es heißt ja immer, schöne Menschen hätten mehr Vorteile, würden bevorzugt, das ist totaler Unsinn, sie hatte nur Nachteile. Komplizierte Kindheit, und dann noch mit dem Namen nicht bestraft, sondern richtig geprügelt. Und das bist du jetzt. Wieder das kleine Mädchen mit dem doofen Omanamen. Komisch, dass dir erst gestern eingefallen ist, dich NICHT Hulda zu nennen, Lydia, mit

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