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Ramses Mueller

Titel: Ramses Mueller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tex Rubinowitz
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auch die einen oder anderen Barreleute, das ist unvermeidlich, und solche Missverständnisse sind nie ganz auszuschließen, und das ist ja immer das Interessante, wie da Fraktionen entstehen, und die Müllerleute geben dann natürlich immer klein bei, weil sie natürlich die Wahrheit kennen, die wahre Wahrheit, also, wir können da jetzt schon noch hingehen, aber ihr habt ja auch eine Einladung, nicht?
    Sein massives Müllerkinn deutet jetzt auf Armin, der eilfertig nickt, aber gleichzeitig panisch nachdenkt, wie er jetzt bloß die Schlingensief-Nummer wird hinbiegen können. Ihm wird abwechselnd warm und lauwarm, alle Nerven empfindlich, so, als sei er gehäutet und gleichzeitig in heißes Öl getaucht, er kennt dieses Gefühl aus der Schule, vor Prüfungen, wenn er absolut keine Ahnung von gar nichts hatte und er den Eindruck vortäuschen musste, irgendetwas zu wissen, er versucht diesen Zustand, das Harren vor der Entscheidung möglichst lange rauszuzögern. Weil es da ist, gibt es Hoffnung, und das, was da ist, und sei es nur der Schmerz, das Unbehagen, das ist ja auch etwas schwammig Kreatives, es ist zumindest nicht nichts, und dass er weiß, dass gar nichts da ist, erzeugt immerhin eine bedauerlicherweise schlecht fassliche, kostbar fragile und erregende Antriebsenergie, aber immerhin etwas, und aus dieser Energie konnte er bisweilen sogar irgendetwas machen, Basteln in der Einsamkeit nennt er das immer, etwas konstruieren aus etwas, was nicht existiert, Lügen würde er das nicht nennen, eher Verzögern, Vorgreifen, er kann eine Zukunft sehen, wo keine Zukunft ist, denn auch wenn er Schlingensief nicht kennt, irgendwann wird er ihn sicher kennengelernt haben, und dann ist dieses Vakuum ausgefüllt mit einem wabbeligen Stoff wie Marmelade, nicht fest, nichts manifestiert Konkretes, auf irgendetwas Fußendes, eine Grauzone, von der er hofft, und das weiß er aus Erfahrung, das war fast immer so, dass dieses Grau irgendwann eine Farbe werden würde, eine richtige. Allerdings stehen bei ihm schon relativ viele Graus in der Metamorphosenschlange, hinten anstellen, bitte. Ramses steht als Erster auf:
    – So, Jungs und Mädels, geh noch kurz mal wohin, dann können wir aufbrechen, bin gleich wieder da, macht euch schon mal fertig.
    Ramses verschwindet auf dem Klo, jetzt spürt Armin einen kleinen Adrenalinblitz, sein Gehirn steht jetzt unter extremer Anspannung, hier ist eine elektrische Chance, die Chance, aus nichts etwas Festes zu machen, eine Tür geht auf, aus Behauptung wird die Wahrheit, Typen wie er sind wacher als ein Fisch, Sekundenschlaf im Strom, dauernd zur Flucht bereit, wie der echte Stuckrad-Barre, er springt auf, als würden auf dem Klo Inkarnationsgutscheine verteilt: Ich auch noch mal
    Und während Lydia und Schubal am Tisch zurückbleiben und damit beschäftigt sind, sich selbst zu sortieren, steht Armin auf dem Klo neben Ramses in der Pissmuschelreihe, angestrengt damit beschäftigt, weder auf dessen noch auf seine (ausbleibende) Verrichtung zu sehen, auf wartende Penisse zu sehen ist so deprimierend, sein ruckartiger, nomadisierender Blick, er kommt ihm vor wie der eines Pferdes auf der Schlachtbank, er hofft, dass er Ramses’ Blick auf seinen lenken kann, ihn so auf seine Seite ziehen kann, ich geb die Umlaufbahn vor, du musst nur folgen, der parallele, ablenkende Blick: Schlingensief, hm.
    – Was ist mit Christoph?
    – Ich hab vorhin bisschen übertrieben, ich kenn ihn zwar, aber, wie gesagt, das ist lange her, noch Mühlheim, keine Ahnung, ob der mich überhaupt noch kennt, man verändert sich, er hat sich verändert, wir kennen uns auch nicht direkt, eher über andere, so hat man damals kommuniziert, das war ja ein Netzwerk, ein lockereres.
    – Ja, und?
    – Nichts und, will nur sagen, dass zu vermuten ist, dass Schlingensief uns, das heißt mich, nicht mehr kennen wird, oder kennen will.
    – Du, kein Problem, kenn ich, manchmal glaubt man, jemanden zu kennen, und dann ist das ein anderer, oder man bildet sich das nur ein, Knick in der Wahrnehmung, so was, oder wie bei mir, sie sehen in mir nur den, den sie sehen wollen.
    – Ja, genau, Wahrnehmungsknick, so kann man das vielleicht am besten beschreiben.
    Ramses lacht, er hat ausgepisst, er ist ausgelaufen, problemlos, Armin steht noch trocken , aber anders erleichtert da, und das macht die volle Blase zweitrangig.
    – Ich muss ja eigentlich gar nicht, auch so ein Wahrnehmungsknick, hab geglaubt, ich müsse müssen, so ein

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