Raniels Engelwelt
klarkommen, aber es stand auch fest, dass ich sie nicht allein lassen konnte. Ich hatte auf Raniel gesetzt, weil es seine Welt war, aber er war mir noch nicht begegnet. Noch hoffte ich, dass sich dies änderte, denn irgendwo musste er ja stecken.
»Komm mit, Pam!«
»Wohin?«
»Du hast dich doch nach dieser Welt gesehnt, und deshalb werden wir sie uns jetzt anschauen und einen Spaziergang machen.«
»Aber es ist alles fremd...«
»Das kann sich ändern, wenn wir uns mal näher mit der Umgebung beschäftigt haben.«
Sie hatte keine andere Wahl, denn allein bleiben wollte sie nicht. Und so fasste sie sogar nach meiner Hand, doch in ihrem Gesicht veränderte sich der Ausdruck nicht. Sie sah noch immer aus wie jemand, der vergeblich versucht, seine Gedanken zu ordnen.
Ich wusste selbst nicht, wohin wir uns wenden sollten. Es gab kein direktes Ziel. Aber mir schwebte ständig Raniel durch den Kopf. Wenn ihm die Welt hier gehörte, dann musste er irgendwo zu finden sein, und wahrscheinlich waren wir ihm auch aufgefallen.
Bisher hatte ich nicht gewusst, dass er eine eigene Welt besaß. Ob dies auch voll und ganz zutraf, war aber auch weiterhin die große Frage, denn Raniel war ein Rastloser, ein Suchender.
»Wo gehen wir hin?«
Ich gab eine ehrliche Antwort. »Keine Ahnung.«
»Willst du ihn nicht suchen?«
»Wen meinst du?«
»Elion.«
Ich lächelte kurz. »Im Prinzip schon. Nur weiß ich nicht, ob ihm das so gefallen würde. Es kann sein, dass er sich zurückgezogen hat, weil er weiß, wer ich bin. Er hat mein Kreuz gesehen und kann sich gewisse Dinge denken.«
»Und wer bist du?«, fragte sie leise.
»Ein Mensch, der sich etwas auskennt in der Welt – und auch in der, die hinter der sichtbaren liegt.«
»Du willst es mir nicht sagen?«
»Es würde nicht viel bringen.«
Unser Gespräch hatte sie abgelenkt. Den Platz, an dem wir die Welt betreten hatten, hatten wir verlassen. Wir waren tiefer hineingegangen, aber eine großartige Veränderung erlebten wir nicht. So blieb der Himmel, wie er war. Mal ein Funkeln, mal ein zuckender Blitz, wenn sich etwas entlud, sonst nichts.
Allerdings waren wir näher an die ungewöhnlichen Steinpyramiden herangekommen. Ich glaubte nicht daran, dass sie aus einer Laune der Natur entstanden waren, denn sie sahen mir aus wie von Menschen errichtet. Oder auch von Engeln?
Auch Pamela Parker zeigte Neugierde. Sie blieb stehen und schüttelte den Kopf, während sie eine der drei in der Nähe stehenden Pyramiden betrachtete.
»Kannst du mir sagen, was sie für eine Bedeutung haben, John?«
»Nun ja, wären wir in Ägypten, dann würde ich sie als Gräber ansehen.«
»Und hier?«
»Könnte das auch der Fall sein.«
»Was spricht dagegen, dass wir sie uns anschauen?«
»Nichts, im Prinzip.«
»Dann würde ich es gerne tun.«
Sie zog mich praktisch auf den Eingang zu. Auch bei den Pyramiden in Ägypten gibt es Eingänge und Tore. Die aber lagen längst nicht so frei wie der Eingang hier. Dabei handelte es sich um ein offenes Rechteck, etwas höher und auch ein wenig breiter als eine normale Tür.
Vor dem Eingang verlangsamte Pamela ihre Schritte. »Gehst du zuerst, John?«
»Klar.«
»Hast du auch Licht?«
»Immer.« Ich gab mich sehr locker, obwohl ich innerlich vor Spannung zitterte. Schon jetzt ging ich davon aus, dass wir etwas in dieser Pyramide finden würden. Da verließ ich mich auf mein Gefühl.
Meine kleine Stableuchte trug ich immer bei mir. Sie hatte mir schon gute Dienste geleistet. Ich schickte zuerst den Strahl durch die Tür in das Innere, aber ich sah nicht viel, abgesehen von einem Felsboden, der im Licht wie poliert glänzte.
Ich schreckte keinen Menschen auf, keinen Engel, kein Tier und kein Monster.
Ich trat hinein, wanderte zwei, drei Schritte weiter und blieb erst jetzt stehen, um mir den nötigen Überblick zu verschaffen, in dem ich die Lampe kreisen ließ.
Das war genau richtig !
Ich sah sie dicht an den Wänden, und ich merkte, dass sich bei mir ein Kloß in die Kehle bildete.
Es waren Körper, die da auf dem Boden lagen und sich nicht bewegten. Entweder schliefen sie oder waren tot, sodass diese Pyramide nichts anderes war als ein Grab. Das hätte auch gepasst.
Ich schwenkte die Lampe. Der Kreis wanderte von einer Gestalt zur anderen. Ich sah die Köpfe, die zum Teil schon skelettiert waren. Es gab die halb oder völlig verwesten Körper, sodass ich allmählich zu der Überzeugung gelangte, hier kein Leben mehr zu finden.
Innerhalb
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