rank und schlank und rattenscharf
Diskussion noch unangenehmer. Die anderen Gäste schauen schon zu uns herüber, wie wir lauthals diskutieren. Am gegenüberliegenden Tisch hat jemand eine Runde Schnaps ausgegeben und ich bekomme auch einen mit. „Dann mal prost!“
Am nächsten Morgen, nach einer guten Nacht, in der ich im Halbschlaf stundenlang Musik höre, brechen wir wieder auf. Kein nasses Zelt abbauen, keinen Schlafsack zusammenrollen und in die enge Hülle stopfen. Die Wäsche ist trocken und auf dem Bett räumt sich auch der Rucksack viel besser ein als auf dem unebenen Boden. Ich wechsle noch Kiras Verband; draußen vor der Tür rührt sich schon einiges. Die Pilger sind bereit aufzubrechen, wir auch. Heute sind auch wir früher fertig als sonst und können zeitig mitlaufen. Der Anhänger mit dem Hinweis auf den günstigen Übernachtungspreis wird gerade wieder aus dem Innenhof geschoben und an die Hängerkupplung eines Autos gehängt. Sie wollen damit wieder neue Pilger anlocken.
In der Stadt mache ich noch reichlich Fotos von den Sehenswürdigkeiten und gehe zum Uhrengeschäft. Wie soll ich da nur reinkommen, um meine Uhr abzuholen? Auf dem Platz sind viele Eltern mit ihren kleinen Kindern. Ich setze mich auf eine Bank und beobachte erst einmal die Leute. Ein junger deutscher Pilger kommt angelaufen und fragt, ob er sich zu mir auf die Bank setzen darf. — „Klar, setz Dich! Dich schickt der Himmel!“ — „Wieso?“ — Er sieht mich ein wenig verwundert an, denn er weiß noch nicht, dass ich ein Attentat auf ihn vorhabe. Wir unterhalten uns einen Moment bevor ich ihn frage, ob er Kira kurz festhalten kann: „Ich muss da vorne ins Uhrengeschäft und meine Uhr abholen, sonst weiß ich nicht, wie ich in den Laden kommen soll. Meinen Hund kann ich hier nicht anbinden, hier sind zu viele Kinder. Du kannst ihn an der Leine festhalten, aber auf gar keinen Fall streicheln!“ — „Na klar.“ — „Bitte nicht streicheln, sie beißt!“
- Ich verschwinde schnell und bin in fünf Minuten wieder bei ihm. „Ist alles gut gegangen?“ — „Kein Problem.“ — „Gott sei Dank.“
Er hat einen auffällig langen und dünnen Pilgerstab. „Wo hast Du den denn her?“ — Er erzählt mir, dass er mit einem Kumpel nach Italien gefahren ist. Kaum sind sie dort angekommen, haben sie sich getrennt. Von Italien nach Spanien ist er getrampt, um auf den Jakobsweg zu kommen. Er hat so gut wie nichts mit, wenig Geld, und schläft wie ich meistens draußen, jedoch unter freiem Himmel, ohne Zelt. — „Wahnsinn!“ — Seinen Pilgerstab hat er unterwegs irgendwo gefunden. Er erklärt mir, dass man sich nicht den Stab sucht, sondern der Stab sucht den Pilger. — Das ist ja höchst interessant! So eine Theorie habe ich ja noch nie gehört!
Ich erzähle ihm, dass ich meinen Pilgerstab von einem Kloster vom Athos mitgenommen habe. An der Klostermauer stand ein ganzes Bündel Stöcke, vielleicht waren es Tomatenstöcke. Nachdem mir jemand meinen Stock nach der Übernachtung weggenommen hat, habe ich mir einen Stock aus diesem Holzbündel genommen, seitdem ist er mein Pilgerstab. — „Also wenn Du sagst, er hat mich gesucht, dann glaube ich es ab heute.“ — Er erzählt mir, dass er Malergeselle ist. — „Auch das noch, dann sind wir ja Berufskollegen! Ich habe zuhause eine Malerfirma.“ — Er möchte später, wenn er wieder in Deutschland ist, berufliche Erfahrungen sammeln und will dafür auf die Walz gehen, wie es heute noch bei Zimmerleuten der Fall ist. — „Wenn Du das machst und in meiner Nähe bist, rufe mich einfach an, ich werde Dir dann weiterhelfen.“ — Ich gebe ihm meine Visitenkarte und wir wünschen uns einen Buen Camino.
Wir verlassen die Stadt und laufen an mehreren flachen Tümpeln vorbei. An einem lasse ich Kira eine Viertelstunde schwimmen, sie ist verrückt auf Wasser und ich werfe ihr ständig kleine Stöcke hinein. Sie bringt sie auch zurück, lässt sie aber immer wieder zwei Meter vom Ufer entfernt ins Wasser fallen. — „Bist Du blöd? Bring sie doch mal zu mir!“ — Ich bin gefordert, immer wieder neue Stöckchen zu suchen. Ein vorbeilaufender Pilger sucht jetzt auch schon mit. Er hat einen gefunden und wirft seinen Stock, doch dieser landet erst gar nicht im Wasser und er entschuldigt sich dafür. Er sucht weiter, wirft erneut einen, der zweite Versuch klappt deutlich besser und er geht nach diesem gelungenem Wurf weiter. Nun habe ich auch keine Lust mehr, Kira steht im Wasser und jault. Ich stehe
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