rank und schlank und rattenscharf
am Ufer und komme an die in zwei Meter Abstand schwimmenden Stöcke nicht heran und finde hier keine neuen mehr. „Also komm jetzt raus, wir gehen weiter.“
Es stehen immer wieder Störche auf den Wiesen, diesmal sogar vier dicht nebeneinander. Kira läuft weiterhin ohne Leine und hat kein Interesse an den Störchen. Als wir in Bercianos del Real Camino ankommen, binde ich Kira vor einem kleinen Laden an meinen Rucksack. Ich bin kaum eine Minute im Laden, da höre ich lautes Gebell und Schreie vor der Tür. Sofort stürze ich aus den Laden. Eine junge deutsche Pilgerin ist zu Tode erschrocken und fast sich an die Brust: „Hilfe, ich wollte den Hund nur streicheln.“ — „Streicheln, meinen Hund? Das geht überhaupt nicht. Sie lässt sich nicht von jedem anfassen. Ist Dir was passiert?“ — „Nein.“ — „Da hast Du noch mal Glück gehabt.“
Durch Kira habe ich gelernt, dass man nicht jeden Hund anfassen darf. Wollen wir Menschen doch auch nicht, oder? Besser ist es, man fragt vorher den Besitzer. Wer mich fragt, ob er Kira streicheln kann, bekommt immer die gleiche Antwort: „Besser nicht!“
Mein Rucksack ist drei Meter weit nach vorn geflogen und liegt mitten auf der Straße. Als alles sich wieder beruhigt hat, gehe ich zurück in den Laden. Ich flitze nur so durch, packe blitzschnell etwas ein und bezahle überstürzt an der Kasse. Nur schnell wieder raus. Diesmal ist es noch mal gut gegangen, sie hatte einen Schutzengel. Dafür sind doch Engel da.
Ich bin von allen Pilgern der erste, der wieder aus dem Laden kommt, und gehe weiter. Noch im selben Ort — ich will mich gerade auf eine Bank setzen, der die Rückenlehne fehlt — kommt ein riesiger Hund angelaufen. Er ist fast doppelt so groß wie Kira und bellt unaufhörlich mit seiner tiefen Bassstimme. Kira fletscht die Zähne und knurrt in an. Die Situation spitzt sich langsam zu, es wird immer schlimmer. Jetzt muss ich handeln. Kira habe ich an die Bank gebunden und gehe nun mit erhobenem Pilgerstab auf den großen Hund zu. Wer weiß, was passiert? — Ich habe Schiss ohne Ende und versuche, ihn zu vertreiben. Er geht mit eingezogenem Schwanz verängstigt zurück und ich genauso langsam vorwärts. Ich werfe ihm den Rest meines Teilchens hinterher, er frisst es sofort auf. Kaum sitze ich, kommt er zurück und das Theater beginnt von vorne. In diesem Moment kommt aus dem gegenüberliegenden Haus eine ältere Frau, wenig später ihr Mann. Sie wollen mal sehen, was hier draußen eigentlich los ist. Die Frau geht zurück ins Haus und bringt mir einen Teller mit Melonenstücken, er holt einen Teller Brot für Kira. Das erste Stück wirft er ihr von weitem zu, alle weiteren steckt er ihr direkt ins Maul. Doch als er sich zu mir auf die Bank setzen will, wird er von ihr angeknurrt und ferngehalten. Der Mann ist gewarnt und sichtlich beeindruckt. Ich halte Kira fest. „Was soll das? Die geben uns was zu essen und Du reagierst völlig überzogen.“ — Sie merkt den Unterschied nicht, erst einmal sind alle Feinde. — Ich bringe den Teller zurück und bedanke mich nochmals.
Wir gehen weiter, um uns ein ruhigeres Plätzchen suchen, an dem ich in aller Ruhe essen kann. Am Ortsausgang stehen einige Steintische und Bänke unter großen Bäumen. Ich stelle gerade meinen Rucksack auf einen dieser Tische, da gesellen sich sofort alle kleinen und großen Hunde des Dorfes zu uns. — Klasse, erst nur ein Hund, jetzt ein ganzes Rudel! — Ich binde Kira an einem Baum fest und sie zeigt allen ziemlich deutlich, wer hier das Sagen hat. — Naja, wir beide gegen sieben, ich einen, sie den Rest. Sie will offenbar keinen Kontakt mit ihren spanischen Artgenossen. Aber wir haben im Moment die schlechteren Karten, ein echtes Problem; einige Hunde sind doppelt so groß wie Kira. Was macht man in so einer Situation? — Damit habe ich überhaupt keine Erfahrung. Ich habe keinen Bock auf Ärger mit denen und muss auf diese Situation umgehend angemessen reagieren. — Vielleicht haben sie Hunger?
Ich schmiere Brote mit Schinken. Mit den Broten in der Hand gehe ich auf die Hunde zu. Sie haben noch mehr Angst als ich und weichen jedes Mal zurück, wenn ich auf sie zugehe. Ich werfe ihnen die Brote von weitem zu und merke, dass sie alle völlig ausgehungert sind. Hastig verschlingen sie die Brote. Gefahr erkannt — Gefahr gebannt.
Eine Schäferin zieht mit ihrer Schafherde in fünfzig Metern Abstand vorbei, auch sie hat mehrere große Hunde. Einer von ihnen kann
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