Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld
war ich wütend, stinksauer.« Er sah Rebus an. »Ich
glaube nicht, dass er es ohne Millie hingekriegt hätte. Es gehört schon einiges dazu, Systeme von der Art zu hacken, wie
die beiden sie sich vorgenommen hatten.«
»Hacken?«
»Sie haben das wahrscheinlich von ihrem Geschäft aus
gemacht. Sie sind in Armeeund Polizeicomputer eingedrungen, haben Kodes geknackt und Firewalls ausgetrickst,
haben Datenbanken gehackt und sind dann wieder hinausspaziert, ohne die geringste Spur zu hinterlassen.«
»Was haben sie denn nun gemacht?«
Froh, dass der Druck nachgelassen hatte, redete Murdock jetzt wie ein Wasserfall. Er wischte sich die Tränen
hinter den Brillengläsern weg. »Sie überwachten ein paar
polizeiliche Ermittlungen und veränderten ein paar Inventarlisten. Und glauben Sie mir, nachdem sie erst mal drin
waren, hätten sie eine Menge mehr tun können.«
So wie es Murdock anschließend erklärte, klang es geradezu lächerlich simpel. Man konnte (mit Hilfe von innen,
die brauchte man schon) die Armee bestehlen und dann
den Diebstahl ungeschehen machen, indem man die entsprechende Computerdatei dahingehend änderte, dass sie
statt des ursprünglichen den aktuellen Lagerbestand angab.
Wenn dann SCS oder Scotland Yard oder sonst jemand anfing, sich für die Sache zu interessieren, konnte man deren
Fortschritte – beziehungsweise deren Im-Dunkeln-Tappen
– mühelos mitverfolgen. Millie war bei all dem der Schlüssel gewesen. Ob sie gewusst hatte, was sie tat, oder nicht,
jedenfalls hatte sie Billy Cunningham die Tür geöffnet. Er
steckte sie ins Schloss und drehte herum. Die Diskette hatte
Notizen zu ihren Hacker-Aktionen enthalten, Tipps, wie
Firewalls und andere Sicherheitsvorkehrungen umgangen
werden konnten, mit allem Drum und Dran.
Rebus zweifelte nicht daran, dass Billy Cunningham
umso stärker aus der Sache herausgewollt hatte, je tiefer
er in sie hineingeraten war. Er war ermordet worden, weil
er rauswollte. Er hatte wahrscheinlich seine kleine Lebensversicherung erwähnt in der Hoffnung, dass sie ihn gehen
lassen würden. Stattdessen hatten sie versucht, das Versteck
der Diskette aus ihm herauszufoltern, ehe sie ihn mit der
siebten Kugel endgültig zum Schweigen brachten. Natürlich hatten die Shield-Leute gewusst, dass Billy nicht allein hackte. Sie hatten nicht lang gebraucht, um auf Millie
Docherty zu kommen. Billy hatte geschwiegen, um sie zu
schützen. Sie musste es gewusst haben. Deswegen war sie
untergetaucht.
»Da war auch einiges über diese Gruppe, ›The Shield‹«,
sagte Murdock. »Ich dachte, das wär bloß so ein HackerVerein.«
Rebus probierte es mit ein paar Namen. Bei Davey Soutar und Jamesie MacMurray klingelte es. Rebus vermutete,
dass Jamesie in einem Verhörzimmer wie eine Nuss unter einem Hammer zerbröselt wäre. Aber Davey Soutar … nun, für den würde er möglicherweise einen richtigen Hammer brauchen. Die letzte Datei auf der Diskette hatte sich aus-
schließlich auf Davey Soutar und das Gar-B bezogen. »Dieser Soutar«, sagte Murdock. »Billy schien der Meinung zu sein, dass er abgesahnt hatte. So hat er sich jedenfalls ausgedrückt. In einer Garage in Currie ist offenbar was
gebunkert.«
Currie: Dann gehörte die Garage wahrscheinlich den
MacMurrays.
Murdock sah Rebus an. »Er sagte nicht, was da abgesahnt
wurde. Ist es Geld?«
»Ich habe dich unterschätzt, Davey«, dachte Rebus laut.
»Auf der ganzen Linie. Jetzt ist es vielleicht zu spät, aber ich
schwöre, dass mir das nie wieder passieren wird.« Er dachte
daran, wie sehr Davey und seinesgleichen das Festival hassten. Aus tiefstem Herzen hassten. Er dachte an die anonymen Bombendrohungen.
»Kein Geld, Mr. Murdock. Waffen und Sprengstoff. Kommen Sie, verschwinden wir von hier.«
Jamesie redete wie ein frisch aus dem Kloster entlassener Trappist – besonders als sein Vater, nachdem er von Rebus die ganze Geschichte erfahren hatte, ihm den Befehl dazu gab. Gavin MacMurray schäumte vor Wut; nicht darüber, dass sein Sohn in Schwierigkeiten steckte, sondern dass die Orange Loyal Brigade ihm nicht genügt hatte. Das war Verrat.
Jamesie führte Rebus und die anderen Polizeibeamten zu einer Reihe von Holzgaragen, die auf einem Grundstück hinter MacMurrays Autowerkstatt standen. Die Armee hatte ihnen zwei Spezialisten überlassen. Sie suchten nach versteckten Bomben und Stolperdrähten, und es dauerte fast eine halbe Stunde, ehe sie sich
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