Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld
Katholen?«
Yates funkelte ihn an. »Es gibt Katholiken in der RUC. Schmeißen Sie uns bloß nicht mit dem UDR in einen Topf.« Dann schloss er eine andere Schublade auf, holte eine Akte heraus und schob sie Rebus über den Schreibtisch hinweg zu. »Das verlässt nicht diese vier Wände.« Smylie rückte mit seinem Stuhl näher an Rebus heran, und sie fingen an zu lesen, wobei Smylie als der schnellere Leser am Ende jeder Seite ganz zappelig darauf wartete, dass Rebus ihm nachkam.
»Das ist unglaublich«, sagte Smylie nach einer Weile. Er hatte Recht. Die RUC hatte Beweise für die Existenz einer loyalistischen paramilitärischen Organisation namens »Sword and Shield« (die aber gewöhnlich einfach »The Shield« genannt wurde) und einer Sympathisantengruppe, die ihr auf dem Festland zuarbeitete und sowohl als Kanal für Gelder und Waffen fungierte als auch selbstständig Spenden sammelte.
»Meinen Sie mit ›Festland‹ Schottland?«, fragte Rebus.
Yates zuckte die Achseln. »Wir nehmen die eigentlich nicht weiter ernst, es ist nur ein Deckname für die UVF oder die UFF, ist gar nicht anders möglich. So läuft das immer. Es gibt so viele von diesen Splittergruppen, ›Ulster Resistance‹, das ›Red Hands Commando‹, die ›Knights of the Red Hand‹, dass wir kaum noch mitkommen.«
»Aber diese Gruppe operiert auf dem Festland«, sagte Rebus.
»Ja.«
»Und möglicherweise sind wir auf sie gestoßen.« Er klopfte mit dem Finger auf die Akte. »Aber trotzdem hat niemand es für nötig gehalten, uns etwas davon mitzuteilen.«
Wieder zuckte Yates die Schultern, wodurch sein Kopf noch tiefer im Rumpf versank. »Das überlassen wir dem Special Branch.«
»Sie wollen damit sagen, dass der Special Branch von der Sache weiß?«
»Die hiesige Dienststelle informiert die Londoner Dienststelle.«
»Irgendeine Idee, wer der Kontaktmann in London sein könnte?«
»Das ist Geheimsache, Inspector, tut mir Leid.«
»Ein gewisser Abernethy?«
Yates kippte seinen Stuhl so weit nach hinten, dass er auf dessen Hinterbeinen hin und her schaukeln konnte. Er sah Rebus aufmerksam an.
»Das genügt wohl als Antwort«, sagte Rebus. Er sah Smylie an, und der nickte. Sie waren vom Special Branch nach Strich und Faden verarscht worden. Aber warum?
»Ich sehe, dass Sie was beschäftigt«, warf Yates ein. »Möchten Sie mir davon erzählen? Ich würde gern hören, was Sie wissen.«
Rebus legte die Akte auf den Schreibtisch. »Dann kommen Sie doch bei Gelegenheit nach Edinburgh, vielleicht erzählen wir’s Ihnen.«
Yates ließ seinen Stuhl wieder mit allen vier Beinen auf den Fußboden knallen. Als er Rebus ansah, war sein Gesicht starr, seine Augen spien Feuer. »Das war wirklich nicht nötig«, sagte er ruhig.
»Warum nicht? Wir haben einen ganzen Tag wegen lumpiger vier Seiten vergeudet, und das nur, weil Sie sie uns nicht schicken wollten!«
»Das ist nicht persönlich gemeint, Inspector, es ist eine reine Sicherheitsmaßnahme. Von mir aus könnten Sie der Chief Superindianer sein, das würde auch nichts daran ändern. Die Perspektive pflegt sich ein wenig zu verschieben, wenn man mit dem Arsch in der Schusslinie ist.«
Falls Yates versuchte, auf die Tränendrüse zu drücken, hatte er sich bei Rebus in den Finger geschnitten. »Die Prods sind doch nicht immer so scharf wie die Provos gewesen, oder? Was läuft da ab?«
»Erstens sind es Loyalisten, keine Prods. Prods bedeutet allgemein Protestanten, und wir haben es nur mit ein paar wenigen Auserwählten zu tun. Zweitens heißen die Angehörigen der Provisorischen IRA Provies , nicht Provos. Drittens … wir wissen es auch nicht genau. Es gibt eine jüngere Führungsriege, eine schärfere Führung. Dazu kommt, dass es ihnen nicht behagt, die Sache einfach weiter den Sicherheitskräften zu überlassen. Die loyalistischen Paramilitärs haben nämlich schon immer ein Problem gehabt. Sie stehen angeblich auf derselben Seite wie die Sicherheitskräfte und sind angeblich gesetzestreu. Das hat sich geändert. Sie fühlen sich bedroht. Vorläufig sind sie in der Überzahl, aber das wird nicht immer so bleiben. Dazu kommt, dass der britischen Regierung ihr internationales Image wichtiger ist als ein paar loyalistische Hardliner, also hört sie mehr auf die Republik als auf die. Zählen Sie das alles zusammen, so bekommen Sie unterm Strich desillusionierte Loyalisten, und zwar eine ganze Menge davon. Die loyalistischen Paramilitärs hatten früher ein schlechtes Image. Viele
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