Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld
badest?«
»Ja.«
»Das ist Giorgio, nicht?«
»Bitte?«
»Dieses Parfüm.« Sie beugte sich vor und schnupperte an seinem Hemd. »Giorgio of Beverly Hills.«
»Patience …«
»Du musst mir bei Gelegenheit von ihr erzählen.«
»Du glaubst, ich treff mich mit jemandem?«
Sie schleuderte das kleine scharfe Küchenmesser in die Spüle und rannte aus dem Zimmer. Rebus stand reglos da, bis er die Haustür zuknallen hörte. Dann goss er die Milch in den Abfluss.
Er brachte die Videos zurück, ohne dass sie sie angeschaut hätten, und fuhr dann ein bisschen raus. Die Dell Bar lag direkt außerhalb des Gar-B an einem hässlichen Stück Hauptstraße. Viel Laufkundschaft hatte sie wohl kaum, aber es parkten eine ganze Reihe Autos davor. Rebus ging vom Gas, als er daran vorbeifuhr. Er hätte reinschauen können, aber was hätte das gebracht? Dann bemerkte er etwas und fuhr an den Straßenrand. Neben ihm parkte ein Lieferwagen, dessen Seiten mit Flugblättern beklebt waren. Die Zettel warben für das Stück, das bald im Jugendgangzentrum von Gar-B aufgeführt werden sollte. Die Theatergruppe nannte sich »Aktiver Widerstand«. Offensichtlich befanden sich ein paar von ihnen in der Bar. Einige Fahrzeuge weiter stand das Auto, das er gesucht hatte. Er beugte sich zum Fahrerfenster hinunter. Ken Smylie versuchte, ihn zu ignorieren, dann kurbelte er wütend das Fenster herunter.
»Was machen Sie hier?«, fragte er.
»Dasselbe wollte ich Sie gerade fragen«, antwortete Rebus.
Smylie nickte in Richtung des Dell. Seine Hände hielten das Lenkrad umklammert. »Vielleicht hat einer von denen, die da drin saufen, Calumn umgebracht.«
»Vielleicht«, sagte Rebus ruhig; er hatte keine große Lust, als Smylies Sandsack zu fungieren. »Und was wollen Sie da tun?«
Smylie starrte ihn an. »Ich bleib einfach hier sitzen.«
»Und dann? Jedem Mann, der da rauskommt, das Genick brechen? Sie kennen die Spielregeln, Ken.«
»Lassen Sie mich in Ruhe.«
»Hören Sie, Ken –« Rebus unterbrach sich, als die Tür des Dell aufging und zwei Gäste, Zigaretten im Mund, über irgendetwas lachend, herausgeschlendert kamen. »Hören Sie«, sagte er, »ich weiß, wie Sie sich fühlen. Ich hab auch einen Bruder. Aber das hier bringt doch nichts.«
»Verschwinden Sie einfach.«
Rebus seufzte und richtete sich wieder auf. »Also gut. Aber wenn’s Ärger gibt, fordern Sie Verstärkung an. Tun Sie’s mir zuliebe, okay?«
Smylie lächelte beinah. »Es wird keinen Ärger geben, glauben Sie mir.«
Rebus glaubte ihm – genauso wie er der Fernsehwerbung und der Wettervorhersage glaubte. Er ging zurück zu seinem Auto. Die zwei Bargäste stiegen gerade in ihren Vauxhall. Als der Beifahrer seine Tür aufriss, hätte er damit um ein Haar Rebus erwischt.
Der Mann hielt es nicht für nötig, sich zu entschuldigen. Er warf Rebus einen Blick zu, als sei es dessen Schuld, und stieg dann ein.
Rebus kannte den Mann. Er war ungefähr einsfünfundsiebzig groß, hatte einen breiten Brustkasten und trug Jeans, ein schwarzes T-Shirt und eine Jeansjacke. Sein Gesicht glänzte vom Alkohol. Stirn und Haare waren verschwitzt. Aber erst als er wieder in seinem Auto saß und schon den halben Weg zurückgelegt hatte, konnte Rebus dem Gesicht einen Namen zuordnen.
Es war der Mann, von dem Yates ihm erzählt und ein Foto gezeigt hatte – der ehemalige UVF-Mann, den sie in Glasgow verloren hatten. Alan Fowler. Der sich im Dell voll laufen ließ, als gehörte ihm der ganze Laden.
Was vielleicht sogar stimmte.
Rebus fuhr auf demselben Weg wieder zurück, suchte ein paar der engen Querstraßen ab, sah sich die parkenden Autos an. Aber er hatte den Vauxhall verloren. Auch Ken Smylies Wagen stand nicht mehr vor dem Dell.
18
Montagmorgen in St. Leonard’s. Chief Inspector Lauderdale war gerade dabei, den Witz zu erklären, den er eben erzählt hatte.
»Verstehen Sie denn nicht, der Tintenfisch ist so kleinlaut, dass Hans es auch nicht über sich bringt, ihm eine reinzuhauen.« Er bemerkte, wie Rebus das Mord-Zimmer betrat. »Der verlorene Sohn kehrt heim! Erzählen Sie, wie arbeitet es sich denn so mit den Wunderknaben?«
»Nicht schlecht«, erwiderte Rebus. »Die haben mir schon eine Flugreise spendiert.«
Lauderdale hatte das offensichtlich nicht erwartet.
»Dann stimmt’s also wirklich«, sagte er vergleichsweise schlagfertig. »Die sind beim SCS wirklich alles Senkrechtstarter.« Das brachte ihm ein paar Lacher ein. Rebus hatte nichts dagegen, die
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