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Raphael

Raphael

Titel: Raphael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathilda Grace
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entscheiden könnt? Gerade ihr, die ihr sowieso kaum Zeit habt. Was sind siebzig oder achtzig Jahre, wenn sich die Möglichkeit auf Jahrhunderte bietet? Was hält dich in deiner Welt, Caine? Ein Vater, den du kaum siehst, ein Bruder, mit dem es das Gleiche ist? Warum versteifst du dich auf Dinge, die ersetzbar sind?“
    Ich runzle die Stirn. Was sind denn das für Fragen? „Weil Menschen das brauchen.“
    „Was?“, will er wissen und ich höre leise Schritte. Er kommt langsam auf mich zu.
    „Identität?“, führte ich aus. Er schweigt. Versteht er das wirklich nicht oder ist es bloß ein weiterer Trick von ihm? „Familie. Erinnerungen. Freundschaften. Leben und Gefühle. Du warst auch mal ein Mensch. Du musst das doch wissen.“
    „Fünfhundert Jahre sind sehr viel Zeit. Ich vermisse nichts von alledem“, sagt er und klingt gelangweilt.
    „Blödsinn“, kontere ich verärgert. „Du hältst gerade selbst an mir fest, warum auch immer. So egal kann es dir nicht sein.“
    „Mir ist langweilig.“
    Das passt zwar zu seiner Tonlage, trotzdem glaube ich ihm nicht. „Ach so? Na das ist erstaunlich. Eben hast du gesagt, es gäbe keine Gefühle für dich. Was glaubst du, ist Langeweile?“
    Er lacht. „Du bist herrlich widerspenstig, mit einer großen Leidenschaft in dir. Ich finde das anziehend.“
    Was ist daran bitteschön lustig? Versteh' einer den Blutsauger, ich tue es nicht. „Raphael, du spinnst.“
    „Willkommen im Club.“
    „Hä?“ Was meint er damit jetzt wieder?
    „Was tust du hier, Caine McAllister aus Queens? Du hockst mit einem Vampir in einem alten U-Bahntunnel und diskutierst darüber, ob ein Untoter Gefühle haben kann oder nicht. Und jetzt behaupte noch mal, dass ich spinne.“
    Arschloch. Ich schnaube entrüstet, obwohl ich eine Heidenangst vor ihm habe. Aber irgendwie muss ich mich davon ablenken, bevor ich durchdrehe. Und auf ihn wütend zu sein, scheint ganz gut zu funktionieren. „Was erwartest du denn? Dass ich schreiend durch die Dunkelheit stolpere, bis es dir über ist und du mich tötest?“
    „Der Letzte, dem ich die Wahl ließ, hat genau das getan“, hält er mir vor, was mich laut aufstöhnen lässt.
    „Vergiss es. Ich habe Angst vor dir, ja, aber du wirst mir den letzten Rest Stolz nicht wegnehmen, und mich dazu bringen, wie ein Baby zu schreien“, werfe ich ihm verärgert an den Kopf und frage mich gleichzeitig, ob ich tatsächlich so mutig bin, oder ob das schon die pure Verzweiflung ist, was wohl zutrifft, in Anbetracht der vorherrschenden Umstände. Ich schätze, ich verliere den Verstand, aber wen kümmert das schon? Ich bin eh gleich tot.
    „Bist du dir sicher, Caine?“, fragt Raphael und klingt irgendwie herausfordernd.
    „Ja“, murre ich und verschränke beleidigt die Arme vor der Brust.
    „Dein letztes Wort?“
    Mann, was will er eigentlich? „Ja, Herrgott.“
    Die Zweideutigkeit seiner Frage fällt mir erst auf, da ist es längst zu spät. Ich lande mit dem Rücken hart an der Tunnelwand. Meine Rippen knacken, als Raphael sich an mich drängt und eisern festhält, bevor er seine Zähne in meinen Hals gräbt.
    Ich schreie nicht. Die Genugtuung gönne ich Raphael nicht. Nicht mal, als die Schmerzen überhand nehmen, während er mich umbringt.
     
    „Erinnerungen?“
    Die tiefe Stimme von Benedict Kincade reißt mich aus dem U-Bahntunnel zurück in die Realität. Das hat man davon, wenn man sich in Sicherheit wähnt und verdeckt hinter einem der großen Vorhänge, die die Terrassentür umrahmen, steht, um nicht mehr als nötig Konversation treiben zu müssen. Dabei habe ich es ernsthaft versucht. Aber die Vampire hier sind so alt und verstaubt, ich weiß mit ihnen nichts anzufangen. Außer mir ist kein einziger Vampir hier, der in meine Altersklasse passt. Unter 300 Jahren läuft nichts.
    Und Themen wie Vampirpolitik, Wirtschaft, Geld, vor allem die Frage, wie man es vermehrt, interessieren mich nicht. Dasselbe gilt für irgendwelchen Kram, angefangen von Forschung, bis hin zu neuen Entwicklungen in der Lagerung von Blut, was für mich sogar interessant sein könnte. Dennoch geht mir das alles gänzlich am Arsch vorbei. Setjan kann diese Dinge so erklären, dass ich sie verstehe, aber diese Vampire – es ist furchtbar. Selten habe ich mich dermaßen gelangweilt.
    Mir fällt ein, dass ich Kincade eine Antwort schulde, der mich milde amüsiert betrachtet, daher nicke ich. „Ja. Ich war in Gedanken, Entschuldigung.“
    Er winkt lässig ab. „Das Vorrecht

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