Raphael
Untoten hat auf mich geschossen. Dad verhindert, dass ich stürze, hält mich auf den Beinen und zieht mich energisch mit sich in Richtung Tür.
„Hilf mir, Junge. Wir müssen rein. Meine Schrotflinte liegt in der Küche.“
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite löst sich ein Schatten aus der Dunkelheit und kommt gemächlich auf uns zu. Mit einem hämischen Grinsen im Gesicht hebt der Vampir seinen Revolver und drückt ein zweites Mal ab. Es klickt nur.
„Mist“, knurrt er und beginnt an der Waffe zu zerren.
Ist das nur ein Trick oder ist der Typ zu dämlich, um einen Revolver zu bedienen? Ich löse mich abrupt von Dad und sehe ihn ernst an. „Hol dein Gewehr. Ich lenke dieses Stück Dreck solange ab.“
„Du bist angeschossen“, widerspricht er voller Sorge und schaut auf meine Seite.
Ich weiß, was er denkt, denn ich spüre, wie das Blut mein Bein hinunterläuft. Feiges Schwein oder nicht, der Vampir hat gut getroffen. „Für irgendwas müssen meine ganzen neuen Kräfte doch gut sein, oder?“ Dad ist nicht überzeugt und damit ist er nicht allein. „Los, Dad! Ich schaffe das schon.“
Sehr zweifelhaft, denn ich habe keine Ahnung, wie alt der Vampir ist, aber ich werde mich nicht kampflos von ihm umbringen lassen, geschweige denn zusehen, wie er Dad tötet. Keine Zeugen, das habe ich nicht vergessen. Und mein Vater ist genau das. Ohne mich hat er keine Überlebenschance, denn seine Schrotflinte dürfte kaum ausreichen, um mit einem Vampir fertig zu werden.
Danke, Raphael, dass du mich vor ein paar Stunden vor dir hast trinken lassen. Das rettet mir jetzt vielleicht mein Leben.
Dad läuft ins Haus und ich gehe auf den Vampir zu, der von seiner Waffe abgelassen hat, und mir grinsend entgegensieht. „Solltest du nicht nach Hilfe schreien und davonrennen, Fatzke?“
„Schließ nicht von dir auf andere, Arschloch.“
Das sitzt. Der Vampir kapiert, dass ich nicht vorhabe, mich ihm kampflos unter die Zähne zu werfen. Er knurrt und geht auf mich los.
Wir landen auf dem Boden, vollkommen ineinander verkeilt, wie bei einer Kneipenschlägerei. Er ist schnell und ziemlich stark. Außerdem bin ich nicht Jackie Chan, was Selbstverteidigung angeht. Trotzdem gelingt es mir, ihn empfindlich zwischen den Beinen zu treffen, worauf er von mir ablässt und auf Abstand geht. Offenbar hatte er sich den Mord an mir leichter vorgestellt.
„Du blutest, Kleiner.“
Danke für die Auskunft. Darauf wäre ich wohl nie von allein gekommen. „Pfeife.“
Was dann passiert, geht mir eindeutig zu schnell, und beweist gleichzeitig, dass der Vampir um vieles älter ist als ich. Er trifft mich einige Male mitten im Gesicht, bis ich Sterne sehe, doch als er mich auf die Beine zerrt, um mir den Arm auf den Rücken zu drehen und ihn brutal hochzureißen, bis es knackt, bin ich sofort wieder klar im Kopf.
Ein Gefühl der Übelkeit steigt in mir hoch, aber das kenne ich bereits. Ich habe mir als kleiner Junge so oft etwas gebrochen, damit hält dieses Dreckschwein mich nicht auf. Die aufblitzende Klinge in seiner freien Hand ist jedoch eine ernsthafte Bedrohung, denn ich bin nicht in der Lage, mich aus seinem eisernen Griff zu lösen und der Attacke auszuweichen. Er rammt das Messer tief in meinen Rücken.
Plötzlich knallt ein weiterer Schuss durch die Nacht. Das Geräusch übertönt sogar meinen Schrei, und reißt den unbekannten Vampir von mir weg. Dad. Ich gehe stöhnend zu Boden und dieses Mal ist niemand da, der mich auffängt. Ein dritter Schuss fällt, dann ertönt ein Schrei. Es ist mein Vater. Ich würde seine Stimme immer und überall erkennen. Ich kann nicht sehen, was der Vampir ihm antut, aber ich höre wie Knochen brechen und ich rieche frisches Blut, bevor mein Dad erneut und diesmal gellend aufschreit.
Danach herrscht Stille. Totenstille.
Bis jemand knurrt. Und es ist nicht der Vampir, der mich umbringen will. Ich muss mich anstrengen, um den Kopf in die Richtung zu drehen, aus der das drohende Geräusch kam. Raphaels Anblick werde ich, sollte ich die Nacht überleben, nie wieder vergessen. Er ist stinksauer und genauso sieht er aus. Trotzdem war ich noch nie so froh, ihn zu sehen.
„Fuck, ist das etwa dein Baby, Raphael?“ Der Vampir lacht, bevor er an mir vorbeiläuft. „Tja, wirst dir wohl ein Neues besorgen müssen. Das hier verblutet gerade.“
„Er ist nicht tot, Vargas. Im Gegensatz zu dir“, kontert Raphael trocken, dann knurrt er erneut.
Der andere Blutsauger fletscht die Lippen und
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