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Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)

Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)

Titel: Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Bieling
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geschrieben. Ich rieb mir meine Augen, während sich ein Schmunzeln auf meinem Gesicht ausbreitete. Las ich da etwa die Angst vor Männern? Tatsächlich! Und diese Angst hatte einen ebenso medizinischen Namen, wie meine Erkrankung. Hominophobie, die Angst vor Männern und mit Sicherheit der Grund, weshalb Richard sich so komisch verhielt. Ich ging hinein und kaufte das Buch, dessen Inhalt die verrücktesten Phobien preisgab. Und ich konnte es kaum erwarten, das Buch Richard zu schenken.
    Den letzten Abend wollte Richard mit mir in einem traditionellen Berliner Restaurant verbringen. Dieses Wirtshaus war eines der wenigen, die das originale Berliner Schnitzel auf der Speisekarte führten. Wiener Schnitzel kennt doch jeder. Aber wer wusste schon, was ein echtes Berliner Schnitzel ist?
    »Kuheuter, das nach dem Garen paniert und gebraten wird«, klugscheißerte Richard zum Nebentisch.
    Die Dame warf ihrem Mann einen zornigen Blick zu, weil dieser schon bestellt hatte. Tja, hätten sie sich mal früher schlaugemacht! Ich lehnte mich entspannt zurück und streckte meine Beine unter den Tisch. Die Kerze auf unserem Tisch flackerte mit jedem Windzug, den die Toilettentürbeim Schließen machte. Musste es ausgerechnet der Tisch am Klo sein? Ich blickte mich um, aber der letzte freie Tisch wurde von einem Fünfjährigen belagert. Übel gelaunt, weil er wahrscheinlich den Sandmann verpasst hatte, fläzte er auf einem der Stühle und schmierte mit seinen speckigen Händen die Tischdecke voll.
    Dann lieber Klo, dachte ich und stellte meine Serviette schützend vor die Kerze.
    »Zwei Berliner Schnitzel!«, rief Richard dem Kellner zu, der die Bestellung mit einem »Bring ick gleich« bestätigte.
    Ich kramte das hübsch verpackte Buch aus dem Rucksack. »Hier, für dich.« Dabei schob ich es zu Richard, der sich über das unerwartete Geschenk wunderte.
    »Was ist das?«, fragte er mich.
    »Mach es auf, dann wirst du es sehen.«
    Mit der Präzision eines Visagisten, der zweiundfünfzig Wimpern einzeln voneinander zu trennen vermochte, damit Mann oder Frau den ultimativen Augenaufschlag bekam, öffnete er die Schleife.
    »Reiß es doch einfach auf!«, forderte ich ungeduldig.
    »Nun lass mich doch!«
    Ich zog ihm das Buchpaket weg und riss das Verpackungspapier auf.
    »Das ist doch …«, beschwerte sich Richard und griff danach. »Du machst es noch kaputt!«
    »Nein, tu ich nicht«, rechtfertigte ich mein Eingreifen. »Ich rette es vorm Verfall.«
    Richard zog eine Grimasse. »Das ist ein Buch, das hat kein Verfallsdatum.« Dann drehte er es um und las den Titel: Jede Angst hat einen Namen.
    Das Berliner Schnitzel war auf gebratene Speckkartoffeln gebettet und übertünchte den Geruch vom Klo. Beherztschnitt ich ein großes Stück ab und blickte kauend zum Nachbartisch. Die Dame stocherte angewidert in ihrem Essen herum, während es sich ihr männliches Gegenüber gewissenlos schmecken ließ. Männer eben! Hendrik hätte ihr das Kuheuter schmackhaft geredet, anstatt sich vollzustopfen mit dem Gedanken, kostenlos an eine zweite Portion zu gelangen. Richard blinzelte auf den Buchrücken seines Geschenkes, das neben seinem Teller lag. »Wieso kaufst du mir ein Buch über Phobien?«, fragte er mich.
    Endlich! Mit großen Augen sah er mich fragend an. Gleich würde ich wissen, was mit ihm los ist. Aber vorher wollte ich Richard mit meiner Selachophobie ablenken, damit er nicht annahm, dass ich mich um ihn sorgte. In solchen Fällen machte er stets dicht und zog sich völlig zurück. »Du weißt doch, dass ich diese Panik vor Haien habe, wenn ich das Meer sehe«, fing ich an.
    »Die hast du auch im Schwimmbad«, ergänzte Richard. »Und einmal sogar am Wannsee«, erinnerte er sich lachend, verschluckte sich dabei und hüstelte in seine Serviette.
    »Ha-ha, sehr witzig!« Ich hatte damals wirklich einen riesigen Fisch mit spitzer Flosse gesehen. Und niemals war das ein Stör! »Ist außerdem völlig egal«, fügte ich gedemütigt hinzu. »Worauf ich hinaus will …« Worauf will ich überhaupt hinaus? Ich hatte den Faden verloren und vergrub meine Zähne in dem gut panierten Kuheuter, um Zeit zu schinden.
    Richard tat es mir gleich. Schmatzend legte er seine Stirn in Falten, während er nebenher im Buch blätterte. Als er auf der Seite mit der Hominophobie ankam, schnippte ich nach dem Kellner. Zeit für einen Château Malmaison – einem trockenen Rotwein, der gut mit Rindfleisch harmonierte. Und Kuheuter war ja auch irgendwie

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