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Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)

Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)

Titel: Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Bieling
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jüngeren Schwester.
    Hendrik glaubte es mir fast nicht, weil ich nie eine Schwester erwähnt hatte. Aber nach drei herausgepressten Tränen willigte er schließlich ein. Nur vierzehn Tage, schwor ich. Und ich fühlte mich verdammt mies dabei. Als die Stationsärztin mich erblickte, winkte sie mich heran.
    »Wenn Sie mir die Übernahme der Patientin gegenzeichnen würden?« Dabei drückte sie mir einen ausgefüllten Zettel in die Hand.
    Noch eine Straftat! Aber was würde es unterm Strich schon ausmachen, ob ich ein Mal oder zehn Mal unterschrieben hatte? Die Strafe blieb doch die gleiche. Das tat sie doch, oder? Egal! Wie eine echte Kriminelle beging ich die neue Straftat, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
    Als ich mit Sarah im Schlepp zum Auto kam, stieg Hendrik aus und half ihr beim Einsteigen. Dass er dabei eine Ähnlichkeit in unseren Gesichtern suchte, war gewiss nur eine Einbildung meinerseits. Zwei verschiedene Väter, erklärte ich, während ich mich nach hinten zu Sarah setzte, worauf sie zu kichern anfing. Ich warf ihr einen bedrohlichen Halt-die-Schnauze-Blick zu und knuffte sie mit dem Ellenbogen in die Seite. Wenn ich sie schon vor der Psychiatrie bewahrte, dann konnte sie doch wenigstens dichthalten. Füchschen sprang auf ihren Schoß und rollte sich zusammen.
    Verräter, dachte ich, musste jedoch schmunzeln, weil Sarah ihn erschrocken anstarrte und verstummte. Ich glaube, sie hielt den Atem an, um den ungebetenen Gast nicht zu verärgern. Immerhin ruhte er auf ihrem Schoß, präzise genug, um seine spitzen Zähne in ihre empfindsamsten Stellen zu hauen. Entspannt warf ich mich in die Rückenlehne. Ein kleines Nickerchen, und schwupps wären wir am Meer. Denkste! Sarah begann zu würgen, noch ehe wir auf der Autobahn waren.
    »Halt an!«, rief ich Hendrik zu und stieß die Autotür auf, was wie ein Startzeichen für ihren Mageninhalt war. Noch bevor sie einen Fuß hinaussetzen konnte, erbrach Sarah sich in hohem Bogen. Wenn sie nicht meine Schwestergewesen wäre, hätte ich sie in den Kofferraum gesteckt. Lügen haben eben kurze Beine! Oder bekotzte!
    Der Wettermann im Autoradio hatte für Rügen Sturmböen vorausgesagt. Das war jedoch untertrieben. Düstere Wolken, die aus dem Nichts am Horizont auftauchten, sammelten sich zu einer Monsterwolke über uns.
    »Da braut sich was zusammen«, murmelte Hendrik.
    Hatte er keine Sekunde daran gedacht, dass er mir damit Angst machen könnte?
    Sarah schlief seelenruhig. Ihr Magen hatte sich nach dem vierten Bremsmanöver , davon eines auf der Überholspur der A114 , beruhigt oder war ausgetrocknet. Den Megasturm, der gegen das Auto drückte, bekam sie jedenfalls nicht mit.
    Füchschen spürte die Gefahr, sprang von ihrem Schoß und verkrümelte sich im Fußraum.
    »Ein schlauer Kerl«, bemerkte ich laut, um mich mit irgendwas abzulenken.
    Hendrik saß angespannt hinterm Lenkrad. Keine Ahnung, wie er etwas erkennen konnte, als sich die Wolke über uns ergoss. Die Scheibenwischer gaben immerhin ihr Bestes, aber sie konnten den Kampf gegen die Wassermassen nicht gewinnen. Zu stark schüttete es gegen die Windschutzscheibe. Begleitet von einem brummenden Geräusch blieben sie mitten im Sichtfeld hängen. Hendrik hielt an und schlug die Hände auf das Lenkrad. »Verdammt!«
    Verdammt? Ich war zwar noch nicht sehr lange mit Hendrik zusammen, und zweifelsohne gab es da noch eine Menge, das ich nicht über ihn wusste. Aber eines vermochte ich mit Sicherheit behaupten zu können: Wenn er »verdammt« sagte, hatte das meist keine guten Folgen.Und wie recht ich hatte. Hendrik zog den Zündschlüssel ab, blickte uns an und sagte: »Hat wer einen Schirm dabei?«
    Natürlich hatte keiner einen Schirm, zumal der uns bei diesem starken Wind wohl eher zur Mary Poppins hätte werden lassen, als uns trocken zu halten. Dennoch hatten wir keine Wahl. Wir mussten den Rest des Weges zu Fuß gehen.
    Sarah nörgelte herum. »Ich bin pitschnass!«
    Dachte sie etwa, ich wäre trockener? Ich spürte, wie mir das Wasser über den Rücken zum Po lief. Ein doofes Gefühl! Hendrik trug den zitternden Fuchs eingeschlagen in seiner Jacke, die ebenso durchnässt war und tropfte. Wortlos stapfte er vorneweg.
    »Mann, meine Schuhe! Die kann ich in die Tonne knallen«, jammerte Sarah weiter.
    »Hör auf zu meckern«, fuhr ich sie an. »Sind doch nur noch ein paar Meter.« Ich hakte sie ein, während ich meinen Rucksack schützend vor der Brust trug. Und ich war dankbar, dass mein Haar nicht

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