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Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)

Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)

Titel: Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Bieling
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an einer letalen familiären Insomnie litt – was so viel bedeutete, wie das fatale Dahinsiechen im Wachzustand.

Zukunft, ahoi!
    Richard war an diesem Morgen schon früh aufgebrochen. Vorbereitungen für eine Premiere, hatte er gesagt. Aber tief in mir spürte ich, dass er mir den Abschied nicht unnötig schwermachen und wahrscheinlich auch Hendrik nicht begegnen wollte. Er hatte mich zum Abschied auf die Wange geküsst, ein Feuchttuch gezückt und die Spuren seines Lipgloss beseitigt, bevor er das Zimmer leise verließ. Als Hendrik hupte, war ich schon startklar. Ich rannte mit meinem Rucksack die Treppe hinunter, direkt in seine starken Arme. Küss ihn, forderte die Stimme in mir. Und obwohl ich ihm so viel erzählen wollte, klebte ich wie magnetisiert an seinem Mund.
    Er griff mich unter den Armen und hob mich hoch. »Wofür war der denn?«, fragte er mit einem Glanz in den Augen, dass ich am liebsten den Knutschrekord mit ihm gebrochen hätte.
    »Dafür, dass es dich gibt«, säuselte ich in sein Ohr, während ich mit den Füßen zappelte. Im Auto drückte sich eine Fuchsnase gegen die Scheibe. »Lass mich runter«, sagte ich, lief zum Wagen und öffnete die Tür.
    »He, Füchschen«, begrüßte ich den aufgeregt herumtanzenden Rotfuchs. Ich war froh, dass sich noch keiner gefunden hatte, der sich des Dreibeiners annehmen wollte.
    Hendrik hockte sich neben mich. »Er hat dich vermisst.«
    Ach, es tat so gut, vermisst zu werden. Oben im Haus ging ein Fenster auf.
    »Warte mal«, rief Elke runter. Vielleicht hatte sie endlich mal bemerkt, dass ich da war – ich, Rapunzel in Berlin, die vielleicht nach Elkes herzlosem Auftritt das Zimmer kündigte und nie wiederkommen würde. Völlig außer Puste hastete sie in ihren Badelatschen, die übrigens ihre Entenfüße noch breiter erschienen ließen, zu uns auf die andere Straßenseite. Ein Auto bremste mit quietschenden Rädern.
    »Bist du noch ganz dicht?«, schrie der Fahrer. Ein anderer Autofahrer drückte seine Hand auf Dauerhupe, während er eine sichtbar ungehörige Handbewegung machte. Berlin, ick liebe dir doch! Wenigstens machte diese Stadt keine Unterschiede, wenn es darum ging, die Straße zu überqueren.
    Wie eine Slalomläuferin fädelte sich Elke durch den reißenden Verkehr, der jede Unaufmerksamkeit bestrafte. Bis sie atemlos vor unserem Auto stand. Sie beugte sich japsend vor, stützte ihre Hände auf die Knie und pustete wie eine alte Dampflok. Mindestens wie eine von anno 1700, wenn nicht sogar wie der Mops vom alten Zeitungsfritzen. Der schnorchelte schon nach Luft, bevor er am Baum war, um zu pinkeln. Und danach trug ihn der Kioskbesitzer zurück ins Körbchen, hinter die Zeitungsständer, wo er röchelnd einige Stunden schlief, um dann wieder nach Luft schnorchelnd zum Baum zu trapsen.
    Elke bekam wieder Sauerstoff. Man sah es deutlich an ihrem Gesicht, das wie ein Chamäleon von Rot zu Blass wechselte. »Ich brauche noch deine Unterschrift«, schniefte sie. Dann glättete sie das Blatt Papier, das sie in ihren Händen hielt.
    Vertrag über eine Mietsache? » Vergiss es!«, rief ich. Im unteren Drittel des überarbeiteten Vertrages stand der neue Mietzins, der fast doppelt so hoch war wie bisher. »Das zahle ich nicht.«
    »Ist doch erst ab November, wenn Jule weg ist«, versuchte sie die Sache zu mindern. Aber ich hatte keine Lust, mich länger ausnehmen zu lassen.
    »Such dir ne andere Kuh zum Melken«, tat ich meinen Unmut kund. Nicht nur, dass sie mich kaum beachtet hatte, seit ich da war, sie hatte es gewagt, mein Zimmer einer Fremden zu geben. Und das, ohne mich zu fragen.
    »Was?« Die Farbe ihres Gesichts wechselte zurück.
    »Ich unterschreibe nicht! Und ich zahle auch ab sofort nichts mehr!«
    Sie wedelte mit dem Schriftstück wild in der Luft herum. »Du kommst nicht sofort raus! Du hast ’ne Kündigungsfrist!«
    »Stimmt! Es sei denn, mein angemietetes Zimmer wird von irgendwelchen Julen belagert und steht zur uneingeschränkten Nutzung nicht mehr zur Verfügung. Das wäre dann ein außerordentlicher Kündigungsgrund, ohne Frist und ohne Komma.«
    Stille folgte.
    Hendrik nickte, während Elke sich hilfesuchend umblickte. Suchte sie etwa den Paragraphen, der ihr zur Seite stand? Auf einer Hauptstraße in Berlin? Ich stieg ins Auto und schloss die Tür. Und auch irgendwie das Buch meines bisherigen Daseins.
    Der Flur des Klinikgebäudes erschien mir länger als am Tag zuvor. Mit hallenden Schritten näherte ich mich Sarah – meiner

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