Rasheed, Leila
Knöpfe zum Annähen und so. Sie band die Enden der Schnüre zu einer Doppelschleife und trat zurück. Lady Adas Silhouette war perfekt.
Adas Blick wanderte zu dem parfümierten Schreibpapier auf dem Frisiertisch. Rose drehte sich weg, und während sie sich an der Robe zu schaffen machte, hörte sie das Rascheln des Unterrocks und das Kratzen einer Feder.
»Ich bin jetzt bereit, das Kleid anzuziehen, Rose«, hörte sie Lady Ada sagen.
»Gern, Mylady.« Rose drehte sich um. Lady Ada stand da und hielt die Seidenschärpe umklammert; ihre großen Augen flackerten nervös. »Wenn Sie erlauben, Mylady. Sie werden sie noch zerreißen.« Rose nahm Lady Ada die Schärpe behutsam aus den Händen. Dabei ertastete sie den Zettel, der zusammengefaltet dahinter verborgen war.
Sie wandte sich ab und schob den Zettel in die Rocktasche. Dann hob sie das schwere Seidenkleid in die Höhe und stieg auf den Schemel. Einen Augenblick war es, als hielte sie Lady Ada den Himmel über den Kopf.
»Bitte strecken Sie die Arme nach oben, Mylady«, forderte sie Lady Ada auf.
Lady Ada hob die Hände, und Rose stülpte ihr das Kleid über den Kopf. Wie bei einem Zaubertrick verschwand die junge Dame und kam dann wieder zum Vorschein, mit hochroten Wangen. Die Seide in gedämpften Rosa- und Goldtönen fiel über das Gerüst des Unterrocks und Korsetts gehorsam dorthin, wo sie hingehörte, und legte sich unter Roses Händen in Falten und Wellen, so elegant wie die Blütenblätter einer Wildrose. Rose knöpfte das Kleid im Rücken zu.
»Es ist wunderschön«, sagte Lady Ada. Sie klang richtig erschrocken.
Rose lächelte und kniete sich hin, um den Saum glattzustreichen. Kaum war sie auf den Knien, verschwand ihr Lächeln. Du bist ganz schön dumm, Rose Cliffe, dachte sie. Wenn Lord Westlake dahinterkommt, wirst du gefeuert und deine Mutter vielleicht gleich mit, und du wirst keine Referenzen für eine neue Stelle bekommen. Aber was sollte sie machen? Lady Ada war verzweifelt, das sah jeder. Man müsste schon ein Herz aus Stein haben, um ihr seine Hilfe zu verweigern.
Sie richtete sich wieder auf und sah zu, wie Lady Ada vor dem Spiegel unruhig an ihrem Kleid herumzupfte. Dabei kam Rose ein weiterer Gedanke, so unwillkommen wie ein Wurm, der sich in einen Apfel bohrt. Es war die Erinnerung an Stellas stolzgerecktes Kinn, an ihre kalte Stimme, an ihre Worte: Du weißt nie, wozu du alles imstande bist, bis du einmal in eine entsprechende Lage kommst, Miss Cliffe .
Sie wünschte, Stella hätte nicht davon angefangen. Natürlich würde sie Lady Adas Geheimnisse nie gegen sie verwenden. Aber sie hätte lieber nicht einmal die Möglichkeit dazu gehabt.
Sie trat beiseite, wollte sich ablenken; dabei fiel ihr Blick auf die Rose in der Vase auf dem Frisiertisch, weiß leuchtend wie der Abendstern. Sie nahm sie, hielt sie an Lady Adas Haar und sah in den Spiegel, um die Wirkung zu begutachten.
Oh, wir sind ja gleich groß, dachte sie mit plötzlicher Beklommenheit. Einen Augenblick fragte sie sich, wie die Rose wohl in ihrem eigenen dunklen Haar aussähe. Rasch wandte sie den Blick vom Spiegel ab und konzentrierte sich darauf, die Blüte dekorativ in der Frisur festzustecken.
»So«, sagte sie und trat zurück. »Perfekt.«
Lady Ada drehte sich vor dem Spiegel hin und her, dass der Seidenstoff über den Boden raschelte. Sie lächelte.
Rose zog sich stumm zur Tür zurück. Als sie die Hand auf die Klinke legte, hörte sie Lady Ada leise sagen: »Rose … danke.«
»Keine Ursache, Mylady«, antwortete sie, ohne sich umzusehen.
11
Rose saß in der Wohnstube ihrer Mutter und stopfte Lady Adas Strümpfe. Ihr gegenüber stopfte Stella Miss Charlottes Strümpfe. Rose hörte das Küchenpersonal hektisch herumklappern, dass es nur so durch den Korridor hallte, und saß wie auf Kohlen. Die Armen rannten fieberhaft hin und her, um das Dinner auf den Servierplatten anzurichten, und es kam Rose so unnatürlich vor, nicht aufzuspringen und mitzuhelfen. Aber sie wusste, dass sie das in ihrer Position nicht mehr durfte. Sie kamen offenbar sehr gut ohne sie zurecht, dachte sie ziemlich traurig.
Aber sie hatte ja auch eine wichtigere Mission. Sie legte die Strümpfe beiseite und stand auf.
»Wo willst du hin, Rose?« Stella blickte hoch, als sie zur Tür ging.
Rose drehte sich widerstrebend um. Stella schien sie mit Argusaugen zu beobachten, und es fiel ihr schwer, ihr ins Gesicht zu lügen.
»Mr Sundaresan hat mich gebeten, für ihn ein paar Kragen zu
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