Rasheed, Leila
hatte es auch zu ihrem Tagesprogramm gehört, die deprimierendsten kleinen Cottages und eine absolut entsetzliche Menge Schlamm zu besichtigen. Das war nun einmal nicht der Strand mit seinen hochherrschaftlichen Gebäuden.
Trotzdem war der Tag nicht ganz verloren gewesen. Sie hatte Edward endlich ein Datum für den Londonbesuch abgerungen. Als sie ihrer Sorge Ausdruck gab, Ada sei für die Saison nicht richtig gerüstet, knickte er sofort ein. Es war aber auch Zeit, dass Ada sich nützlich machte.
Als hätte Stella ihre Gedanken gelesen, sagte sie: »Ich muss Mylady dazu gratulieren, dass Sie Lord Westlake zu einem Londonbesuch überreden konnten.«
»Danke, Stella. Noch einen Monat hier hätte ich nicht ertragen.« Fiona lächelte in den Spiegel und hielt den Kopf ganz still, während Stella ihr die hochgesteckten Haare löste.
»Ich auch nicht, Mylady.« Sie machte eine Pause. »Wenn ich offen zu Ihnen sprechen darf – manche der Dienstboten hier sind nicht ganz von der Sorte, mit denen ich gern arbeite, wenn Sie mir diese Direktheit verzeihen.«
»Ach?« Fiona zog eine Augenbraue hoch.
»Diese Rose Cliffe zum Beispiel. Jeder Blinde sieht, dass sie von ihrer Mutter völlig verzogen wurde. Wissen Sie, dass Lady Ada sie beim Üben mit im Musikzimmer sitzen lässt? Ich persönlich erledige meine Flickarbeiten, ohne mich auf eine Stufe mit der Familie stellen zu wollen.« Sie zog an einer Haarnadel, dass Fiona zusammenzuckte. »Ich bitte um Entschuldigung, Mylady.«
»Finden Sie sie anmaßend?« Fiona nahm das Diamantarmband ab und legte es nachdenklich in die Schmuckschatulle. »Ich muss schon sagen, sie ist recht hübsch.«
»Hübsch mag sie ja sein, aber beherrscht sie ihr Handwerk? Ich könnte manchmal heulen, wenn ich sehe, was sie mit den Kleidern der jungen Damen anstellt. Sie hat noch nie in ihrem Leben als Zofe gearbeitet, meine Schwester dagegen, die ihre Stelle ohne Schuld verloren hat …«
»In ihrer mangelnden Erfahrung sehe ich eigentlich kein Hindernis«, sagte Fiona, die die Geschichte von Stellas Schwester bereits oft genug gehört hatte und mehr dahinter vermutete, als Stella preisgeben wollte. »Rose ist vielleicht zu hübsch für ein Hausmädchen, aber Ada ist ganz gewiss zu hübsch für eine Stieftochter. Ich habe nichts dagegen, wenn Rose nicht das Allerbeste aus ihr herausholt.«
Während Stella noch versuchte, zurückzurudern und ihr Ziel von einer anderen Seite anzusteuern, klopfte es kurz, und Charlotte kam herein.
»Mama, ich muss mit dir reden«, begann sie. »Ist es wirklich deine Absicht, Ada zu den besten Gastgeberinnen mitzuschleppen?«
»Mein Liebes, wir können sie schlecht zu Hause sitzen lassen. Nur ihretwegen ist dein Stiefvater so scharf darauf, mit uns nach London zu fahren.«
»Es ist doch eine bodenlose Unverschämtheit, wie sie wildert.«
»Wildert? Darling, deine saloppen Ausdrücke musst du mir schon erklären.«
»Tu nicht so, als hättest du nicht gesehen, wie sie bei der Jagd nach allen Regeln der Kunst mit Lord Fintan geflirtet hat. Klug ist sie ja, das will ich nicht bestreiten. Spaziert vorsätzlich vor seiner Flinte herum.« Charlotte stampfte mit dem Fuß auf.
»Tatsächlich?« Fiona sah sie besorgt an. »Also, das können wir uns nicht bieten lassen.«
Hier sah Stella ihre Chance und schlug sofort in dieselbe Kerbe. »Ich wäre überhaupt nicht überrascht, Miss, wenn ihre Zofe sie dazu ermuntert hätte. Die beiden stecken doch unter einer Decke.«
»Diese Zofe ist fast so unerträglich wie Ada«, sagte Charlotte zornig. »Sie hat so etwas Herablassendes. Offenbar glaubt sie, dass ihre Averleys etwas Besseres sind als wir. Diese ländlichen Dienstboten sind genauso versnobt wie ihre Herrschaften.«
»Genau, was ich immer sage, Miss.« Stella spürte Rückenwind und war erleichtert. »Und zu Rose Cliffe kann ich nur sagen, dass sie zwar aussieht, als könnte sie kein Wässerchen trüben, aber ich weiß aus sicherer Quelle, dass sie eine Menge Briefe bekommt, die mit der Handschrift eines Gentleman adressiert sind, wenn Sie verstehen, was ich meine. Sie hat jedenfalls keinen Anlass, sich so aufzuplustern.«
»Hmm.« Fiona drehte sich zu ihrem Spiegelbild zurück und begann, sich behutsam Cold Cream auf Gesicht und Hals zu tupfen. Sie sah im Spiegel die finstere Miene ihrer Tochter. Wie schade, dass Sebastian am meisten von ihrer Schönheit geerbt hatte; an ihm war sie verschwendet, weil er sie als ältester Sohn kaum nötig hatte. Charlottes
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