Rasheed, Leila
auf ihr Kleid mit dem Grasfleck hinunter, als sähe sie ihn zum ersten Mal.
»O je. Sehe ich wirklich so schlimm aus?«
»Ziemlich schlimm. Gut, dass Mutter nicht da ist; die würde dich ganz schön ausschimpfen.«
»Ich habe mich nur gefragt, was du hier machst.«
»Hier?« Michael sah sich um. »Ach … nur … mich umschauen.« Ihm fielen die Rosen ein, die er immer noch in der Hand hielt. Nun, die Chance, sie Priya zu geben, war vertan. »Willst du ein paar Rosen?«, fragte er niedergeschlagen und streckte sie ihr hin.
»Oh!« Georgianas Gesicht leuchtete auf, und Michael freute sich trotz seines Unglücks. Gute alte Georgie! Vielleicht war sie manchmal ein Wirrkopf, aber sie hatte Mumm in den Knochen und ein heiteres Gemüt. Es war schön, sie zum Lächeln zu bringen. Und … ganz plötzlich kam ihm ein Gedanke. Natürlich! Sie hatte durchaus noch weitere Qualitäten. Sie war ein Mädchen . Das konnte man leicht vergessen, weil sie so ein Wildfang war, aber sie war tatsächlich ein Mädchen. Und hatten nicht alle Mädchen irgendeine Art Verbindung zueinander? Wäre Georgie nicht der beste Weg, um an Priya heranzukommen?
Er strahlte sie an. »Komm, spielen wir eine Runde Cricket. Das haben wir schon ewig nicht mehr gemacht – ich habe dich vermisst!«
Er schlug der entzückten Georgiana auf die Schulter, und sie verließen den Küchengarten und gingen auf den Rasen.
Sebastian kehrte nach einem langweiligen Lunch mit dem Dekan in seine Wohnung zurück; er lief das Kopfsteinpflaster entlang, vorbei an den sonnenwarmen Steinbauten des alten Colleges. Seine Gedanken schweiften zu Oliver. Wenn er daran dachte, wie er sich gestern aufgeführt hatte, bekam er ein schlechtes Gewissen. Natürlich musste Oliver verletzt sein – jeder wäre das. Es hatte sicher so ausgesehen, als habe er mit Ravi geflirtet, dabei fand er ihn nur interessant – eine harte Nuss, die er gern geknackt hätte. Es provozierte ihn, wenn ihm jemand seine Bewunderung versagte, und Ravi bewunderte ihn ganz offenkundig nicht. Für Oliver musste das natürlich ein öder Nachmittag gewesen sein, Champagner auszuschenken und selbst keinen Tropfen anrühren zu dürfen. Ein wenig angetrunken, war Sebastian nicht gerade feinfühlig mit ihm umgegangen. Er würde bei Oliver einiges wiedergutzumachen haben. Vielleicht, dachte er, als er die Treppe zu seiner Wohnung hochstieg, könnten sie irgendwohin fahren, um zu picknicken oder so etwas Ähnliches. Nur war es verteufelt schwer, einen triftigen Grund zu finden, mit seinem Kammerdiener herumzuscharwenzeln, ohne Verdacht zu erregen. Vielleicht, wenn er sich fürs Wochenende eine Einladung zu einer Landhausparty verschaffen könnte … Er öffnete die Tür und trat ein.
»Oliver«, begann er, dann blieb er wie angewurzelt stehen. Der Brief lehnte am Kaminsims, dreist wie ein Einbrecher. Schon von der Tür aus erkannte er Simons Handschrift.
Er durchquerte den Salon und griff mit zitternder Hand nach dem Umschlag. Es gab kein Geld mehr. Simon musste vernünftig sein, er musste das begreifen. Sebastian riss den Umschlag auf und las; vor Verzweiflung wurde ihm ganz schwer ums Herz.
Mr Sebastian,
ich glaube, Sie wollen sich über mich lustig machen. Ich weiß, Sie sind ein reicher Gentleman und können zahlen, was immer ich auch verlange. Ich finde, zweitausend Pfund sind nicht zu viel, damit Ihr Name nicht in die Zeitungen kommt. Ich habe einen sehr netten Gentleman vom Illustrated Reporter kennengelernt, der sehr daran interessiert ist, von Ihnen und mir zu erfahren. Natürlich werde ich ihm nichts verraten, bevor ich von Ihnen höre. Ich bin sicher, Sie werden Vernunft annehmen und mir um der alten Zeiten willen die Summe geben. Wenn nicht, erscheint die Geschichte dieses Wochenende.
Ihr ergebener Diener
Simon Croker
»Zweitausend Pfund!«, brach es aus Sebastian wütend heraus. Der Kerl musste verrückt sein. An eine solche Summe käme er nie heran. Seine Mutter hielt ihn sehr knapp, und ohne Erklärung könnte er sie nicht um einen solchen Betrag bitten. Und alles noch vor dem Wochenende!
Es war unmöglich, noch einmal an Lord Westlake heranzutreten. Der hatte deutlich zu verstehen gegeben, dass die sogenannten Investitionen erst einmal Profit abwerfen müssten, bevor er weiteres Geld hineinzustecken gewillt sei. Und jetzt drohte ihm dieser Kerl auch noch mit der Zeitung … Zweifellos handelte es sich um ein amerikanisches Schmierblatt, aber die Londoner würden trotzdem Wind davon bekommen.
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