Rashen - Einmal Hölle und zurück: Roman (Neobooks) (German Edition)
ist aus ihrem Gesicht gewichen, und ich muss zweimal hinschauen, weil sich plötzlich etwas in meiner Brust regt. Was zur …?
Scheiße. Tränen. Ich sehe sie in ihren Augen funkeln, auch wenn Claire mich nicht anschaut. Ich fühle mich auf der Stelle völlig überfordert. Meine Wut und mein Zorn verpuffen mit einer Geschwindigkeit, die jeden Usain Bolt in den Schatten stellt. Trotzdem, oder gerade deswegen, lasse ich mir nichts anmerken. Kalt dränge ich sie weiter in die Ecke: »Du hast geträumt. Lass mich raten, wovon: deiner Zukunft in der Hölle? Nein, viel besser: dem Tartarus, deswegen reagierst du so putzig darauf. Wahrscheinlich hast du gebrannt. Immer und immer wieder.« Ich hätte es nicht herzloser ausdrücken können, doch mal ehrlich, was kann ich schon gegen ein weinendes, eins fünfzig großes Mädchen ausrichten, das mein Herz plötzlich unkontrolliert schlagen lässt?
Claires Kopf fährt bei meinen Worten herum, ihr weiches, rotes Haar streift meine Wange. Die Augen sind auf mein Gesicht gerichtet, all der Kummer ist schlagartig aus ihrem Gesicht gewichen. Das nenn ich einen sauberen Rollenwechsel.
»Falls es dich interessiert, du Wurm aus der Hölle, er hat mir wochenlang Träume von James gesandt. Mir wäre es scheißegal, wenn ich irgendwo brennen würde, aber James hat das nicht verdient. Er hat niemandem etwas getan!« Ihr warmer Atem knallt gegen mein Gesicht, die tanzenden Sommersprossen verschwimmen vor meinen Augen.
Eine Zornesträne kullert ihre Wangen hinab. An ihrem störrischen Kinn bildet sich ein dicker Tropfen, der irgendwann groß genug ist, um davonzufliegen.
»Tja, Süße, tut mir leid, wenn ich deine Illusionen zerstören muss, aber niemand kommt grundlos in den Tartarus. Einen Menschen dort einzusperren, schafft nicht einmal der Fürst. Gut, der vielleicht schon, aber er hat Besseres zu tun, als sich um irgendeinen schmierigen Engländer zu kümmern«, lenke ich ein und sehe, wie Claire bei jedem Wort noch blasser wird. Fahrig wischt sie sich übers Gesicht, die Tränen sind schneller versiegt, als ich blinzeln kann. Ob sie das alles nur geschauspielert hat?
Draußen ist es bereits dunkel, sanft prasselt der Regen gegen die Fensterscheibe. Das Licht ist dürftig, genau richtig, um ihren Pupillen die Größe einer Untertasse zu verpassen.
»Du hast also von James geträumt, wie er im Tartarus verbrennt. Gut. Und Levathian hat dich damit erpresst? Ziemlich clever, wenn du mich fragst.«
»Schön zu sehen, wie sehr dich das Menschenleben meines Verlobten juckt«, schleudert Claire mir aufgebracht entgegen. All ihre Angst hat sich zu einem geballten Haufen Streitlust kanalisiert.
»Mich juckt gar kein Menschenleben, falls dir das nicht klar sein sollte.« Mit theatralischer Geste deute ich auf meine Brust, die Stelle, an der sich das Herz befindet. »Wenn dieses Ding nicht wäre, würde mich gar nichts interessieren. Aber ihr Menschen seid ja mit so was wie einem Gewissen ausgestattet.«
Sie lacht tonlos auf. »Oh, wie großartig, vielleicht kommst du ja noch auf den Geschmack!«
»Genau! Vermutlich macht es mir ja irgendwann sogar Spaß, ständig auf alles und jeden Rücksicht zu nehmen. Es ist mein gottverdammter Job gewesen, Seelen in die Hölle zu schicken. Für jeden Typen im Tartarus gab’s eine Extrasumme.«
»Dir ist klar, dass wir hier von Lebewesen sprechen, oder?«, braust Claire auf und drückt mir ihren Zeigefinger in die Brust. Was Frauen nur mit dieser Geste bezwecken wollen, bleibt mir ein Rätsel. »Du bist das größte, widerwärtigste Arschloch, das mir jemals begegnet ist!«
»Danke.«
Ich deute eine spöttische Verbeugung an.
»Das war kein Kompliment, verdammt!«, fährt sie mich an.
»Das denkst du.«
»Warum musste ich ausgerechnet dich bannen?«, murmelt sie mehr zu sich als zu mir. Trotzdem vernehme ich ihre Worte laut und deutlich. Hinter meinen Schläfen baut sich Druck auf, ein Druck, der nach einem Ventil sucht und sofort findet. Ich hebe meine Stimme:
»Hätte dein verschissener Verlobter nicht irgendetwas Dummes angestellt, dann hätte Levathian dir keine Träume geschickt, du hättest diesen dämlichen Vertrag nicht unterzeichnet, mich nicht gebannt und in den Körper von diesem Draufgänger verfrachtet. Ich wäre nicht hier, sondern in der Sphäre, und bestimmt müsste ich mich nicht mit dem Problem herumschlagen, dass da draußen ein irrer Zauberlehrling herumrennt, der irgendwelche Formeln für sich entdeckt!«
Claires Mund
Weitere Kostenlose Bücher