Rashen - Einmal Hölle und zurück: Roman (Neobooks) (German Edition)
sah meinen Bruder an, als habe er den Verstand verloren. Was er offensichtlich auch hatte. Kein Dämon konnte lieben. Wir hatten kein Herz. Kein Gewissen. Keine Seele.
»Wie willst ausgerechnet du jemanden lieben, Chaske?«, höhnte ich und sah den Trotz in seinen Augen aufglimmen. Dass ich ihn so tief zu Fall gebracht hatte, war mir nicht klar gewesen.
»Ich habe Menschlichkeit erfahren. Jeder Tag in diesem Körper schenkt mir ein kleines bisschen mehr. Dieses Herz schlägt in meiner Brust und pumpt lebendiges Blut durch meine Venen. Ich lebe, Rashen, begreifst du das nicht? Ich lebe und liebe. Du wirst es eines Tages auch noch begreifen.« Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, schüttelte den Kopf, rang nach Worten, entschied sich dann allerdings für die schweigende Variante.
»Du hast den Verstand verloren«, sagte ich skeptisch und konnte meinen Blick nicht von meinem gefallenen Bruder wenden. Er wirkte gelöst, ja nahezu menschlich fröhlich. Er hasste mich, ja, er hasste mich, aber nicht, weil ich ihn seiner Karriere beraubt und ihn zu einem Dasein als einfacher Rachedämon gezwungen hatte. Die Droge namens Menschlichkeit hatte ihn infiziert, und er hasste mich, weil ich derjenige sein würde, der ihm seine Geliebte nahm.
»Nein, du verstehst nicht! Ich war noch nie klarer! Die Zeit mit Penelope ist das Schönste, was ich je erlebt habe. Es gibt uns, wir fühlen und wir leben. Denn jeder Augenblick kann der letzte sein.«
»Wo ist Chaske de Andiel, mein Bruder, und was hast du mit ihm gemacht?«
Er überging meine Worte. »Nimm sie nicht mit, bitte. Ich habe dich nie um etwas gebeten, nicht ein einziges Mal. Du hast mich meiner Ehre beraubt, du nahmst mir alles, was ich besaß. Ich war sauer, ich war enttäuscht von dir. Du bist mein Bruder. Wir haben nur uns. Es gibt sonst niemanden in der Zwischenwelt, der für uns einstehen würde. Deswegen sind Familienbande unter Dämonen das Einzige, was zählt und was Bestand hat. Doch du hast diese Bande entzweit. Ich habe es akzeptiert. Nur bitte ich dich, dieses eine Mal eine Ausnahme zu machen. Bitte, nimm sie nicht mit.«
Chaske hielt inne und schwieg. Penelope riss im selben Augenblick die Arme in die Luft, sang von der Liebe, im Duett mit ihrem Graf Danilo, dicht an dicht. Ungerührt wandte ich mich meinem Bruder zu.
»Das Schicksal ihrer Seele ist bereits unterzeichnet, ich habe die Unterlagen heute Mittag an Pragaz herausgeschickt. Was glaubst du, welche Strafe auf das Verweigern einer Seelenauslieferung steht? Sie wird für die Sünden ihrer weiblichen Vorfahren in den Tartarus kommen, eine trifft es immer.«
»Sie hat nichts Unrechtes getan!«, warf Chaske ein. In seinen braunen Augen spiegelte sich die Verzweiflung.
»Hörst du dir eigentlich mal zu? Was ist nur aus dir geworden? Ich kann nicht glauben, dass ich mal auf dich neidisch war. Auf deine Macht, deine Unabhängigkeit. Jetzt bist du nur noch ein winziger Dämon, der zu viel Zeit in einem menschlichen Körper verbringt und sich an das Herz klammert, das nicht das seine ist. Dass du jemals so tief sinken würdest, hätte ich nicht für möglich gehalten.«
Mit hängenden Schultern erhob sich Chaske aus dem weichen Sitz des protzigen Stuhls. Geknickt und zerbrechlich erschien er mir in dem schwachen Licht, das von der Bühne aus zu uns drang. Seine Augen ruhten auf Penelope, die uns nicht sehen konnte, den Kopf aber erhoben hielt, das Kinn in unsere Richtung weisend. Müde griff er sich in den Nacken, eine Geste, die ich immer an ihm beobachtet hatte. Früher, als wir noch Kinder gewesen waren.
»Du bist mein Bruder, Rashen. Denk daran, das wirst du immer sein.«
Chaske blickte mich nicht mehr an, als er die Loge verließ. Seine Worte hallten in meinem Innern nach und hinterließen ein seltsames Gefühl, das ich nicht einzuordnen wusste.
Kapitel 15
Das böse Spiel mit dem Alkohol, auch schon erlebt, was?
S chon mal daran gedacht, dass Levathian nicht die ganze Nacht da rumtanzt? Wär vielleicht nicht schlecht, wenn du deinen quadratischen Hintern aus dem Bad schiebst und wir loskönnen.«
Energisch klopfe ich gegen die mich angähnende Holztür, durch die leise das Geräusch eines Föhns dringt. Claire hat mich in ein schwarzes Hemd und nette Jeans gesteckt. Es ist kurz vor zwölf, das Taxi, das ich bestellt habe, wartet unten bestimmt schon seit einer geschlagenen Viertelstunde und treibt den Preis in unbezahlbare Höhen. Aber gut, ist ja nicht mein Geld, das da zum Fenster
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