Rashminder Nächte 2 (German Edition)
weiter – hätte nicht einmal ein Magier Lust verspürt, es mit seiner gesamten Kraft in ein tödliches Artefakt zu verwandeln und auf diese Weise Selbstmord zu begehen. Es stiehlt jedem Nichtmagier, der es berührt, die Lebensenergie, bis er stirbt, speichert sie und gibt diese an Magier ab. Auch einen Magier oder Priester würde es umbringen, weil sie zu viel Magie aufnehmen, falls man sie nicht rechtzeitig fortreißt.“
„So ist es.“ Torgen nickte zufrieden, ganz der Lehrmeister, dessen Schüler sich verständig anstellte. „Naxander besitzt damit ein Werkzeug, das seine bereits übergroße Macht noch weiter steigert, denn er kann als einziger Magier nahezu unbegrenzt Energien aufnehmen. Du weißt Bescheid …?“
„Ja!“, knurrte Eryk ungehalten. Er wusste genau, dass Zauberer ihre eigene Lebensenergie benutzten, um Magie zu wirken und darum sehr sparsam mit ihren Kräften haushalten mussten. Zwar zogen sie aus der Luft oder Umgebung oder so ähnlich beständig neue Kraft, weshalb sie so wenig Schlaf brauchten, Wunden blitzschnell heilten und sie ein geradezu unverschämt langes Leben führen konnten. Doch Kaiden hatte ihm erklärt, dass es ihn innerlich ausbrennen würde, sollte er zu viel Lebenskraft auf einmal verlieren. Schmerz oder andere Reize bewirkten irgendetwas, das Magier stärkte. Warum auch immer. Eryk hasste dieses ganze unverständliche Zeug!
„Der Gildenrat ist nun in einer prekären Lage“, führte Torgen weiter aus. „Nach ihren Gesetzen dürfen sie einen der ihren nicht zwingen, magische Artefakte auszuhändigen. Eine formelle Bitte hat Naxander bereits abgelehnt. Um das Gesetz zu ändern, müsste der Rat einstimmig sein Einverständnis geben ...“
„... Und da Naxander dagegen ist, bleibt alles beim Alten“, fuhr Kaiden dazwischen.
„Sollen sie ihn doch endlich rausschmeißen!“, murmelte Eryk verständnislos. Magier. Immer musste alles kompliziert sein!
„Unmöglich.“ Torgen schüttelte den Kopf. „Der König bestimmt, wer Mitglied des Gildenrates ist und der weigert sich auch auf wiederholte nachdrückliche Bitten, Naxander zu entlassen.“ Torgen lehnte sich zurück und betrachtete Kaiden schweigend, so, als würde er etwas von ihm erwarten.
„Da der Rat das Artefakt nicht offiziell fordern kann, sollen wir es also stehlen?“, fragte Kaiden langsam. Torgen nickte.
„So ist es. Ihr habt euch einen Ruf als findiges Gespann geschaffen.“
Er legte eine Pergamentrolle auf den Tisch und schob sie Kaiden zu, der sie kurz las und dann an Eryk weitergab. Eryk hatte große Schwierigkeiten, die altmodische, verschnörkelte Schrift zu entziffern:
„Man schicke nach den beiden, da sie Naxander mit einer Illusion zumindest kurzzeitig zu blenden wussten. Sie sollen die Schale der Unsichtbarkeit suchen und damit den Tor von Amarganth zurückgewinnen – so es ihnen gelingen sollte.“
„Bevor du fragst“, sagte Kaiden zu Eryk, ohne Meister Torgen aus dem Blick zu lassen.
„Die Schale der Unsichtbarkeit ist ein Mythos.“
„Keineswegs. Sie ist lediglich kaum zu erringen.“ Torgen wirkte ungeduldig, als Kaiden voller Verachtung schnaubte.
„Ich habe von ihr gehört. Wer aus dieser Schale trinkt, ist für einige Zeit für die ganze Welt unauffindbar, auch mit Magie. Man sieht und hört sie nicht.“ Eryk unterdrückte seinen Ärger, als er die kaum verhohlene Verwunderung in Torgens Gesicht erkannte. Was glaubte der Alte eigentlich, durften Krieger sich bloß für Schwerter, Mord und Totschlag interessieren? Legenden fand er jedenfalls interessanter als Magietheorie.
Kaiden ergriff Eryks Hand und drückte sie kurz. Er wusste einfach immer, wann Eryk solch eine Geste brauchte, um sich beruhigen zu können. Anscheinend war es seinem Meister gleichgültig, ob sie sich berührten oder nicht.
Torgen wirkte nun wieder so selbstzufrieden … Die Dynamik zwischen den beiden jagte Eryk Schauder über den Rücken. Ihm wurde bewusst, dass er Zeuge eines Kampfes wurde, dessen Regeln und Ziele er nicht begriff. Ein Kampf, der mit Willen und Geisteskraft geführt wurde.
„Man kann die Schale ausschließlich mittels Magie finden, doch ein Fluch sorgt dafür, dass nur ein Magier und ein Schwertkämpfer gemeinsam das Versteck aufsuchen können. Sie müssen die Schale gemeinsam ergreifen. Nur aber, wenn sie einander vertrauen, kann es gelingen. Jeder darf es bloß ein einziges Mal in seinem Leben versuchen. Wer scheitert, kann weder aussprechen noch auf irgendeine andere
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