Rashminder Nächte 3 (German Edition)
nicht gelebt hatte, trug Torgens Stimme in sein Bewusstsein:
„Niemand soll dich jemals finden noch als das erkennen, was du bist. Ich selbst kann es nicht verraten, keine Magie wird zu dir führen. Dieser Fluch endet, wenn es für das Überleben eines Einzelnen oder Vieler notwendig ist, dich zu finden, doch nur, wenn dies nicht deinen Tod bedeutet.“
Das Bild eines Mädchens schob sich vor Kaidens inneres Auge, flackerte, verzerrte sich, wandelte sich dann in die Gestalt einer alten Frau.
Amisha. Ihr Name war Amisha. Torgen hatte sie mit dem Fluch belegt, als sie noch ein Kind war, und er hatte sie ein Leben lang beschützt. Heute war sie alt, doch immer noch …
Kaiden stöhnte laut. Am liebsten hätte er seinen Kopf gegen die Wand geschmettert, bis dieses Wissen zerstört war. Er durfte das nicht wissen! Niemand durfte das wissen!
Amisha war Torgens Tochter.
Amisha war eine Magierin, was allein für beide das Todesurteil bedeuten müsste.
Und Amisha war eine Artefaktmagierin der neunten Nanchra.
Sollte sie jemals in Naxanders Hände fallen, in die Hände eines Mannes, dessen Talent es war, mit magischen Artefakten zu verschmelzen und deren Eigenschaften zu stehlen – dann würde er wahrhaftig allmächtig werden.
„Was siehst du?“
Beinahe hätte Kaiden vergessen, dass Naxander vor ihm kniete und jede seiner Regungen aufmerksam beobachtete.
„Das … ich …?“ Hilflos schüttelte Kaiden den Kopf.
„Du hast ein Mittel gefunden. Sag mir, was es ist!“
„N…“ Kaiden krümmte sich vor Angst.
„Aufhören.“
Der Befehl löste den Zwang. Tränenblind richtete Kaiden sich auf, unfähig, ihn anzusehen.
Naxander kam dicht an ihn heran.
„Ich werde mir sehr viel Zeit mit dir lassen müssen, um deinen Willen nicht zu brechen. Gewiss, dank Torgens Vorarbeit bist du geschult darin, Angst und Schmerz zu ertragen, doch ein menschlicher Körper kann nur begrenzt der Folter standhalten. Von Geist und Seele ganz zu schweigen.“
Kaiden schluckte heftig, während er um Atem ringend vor diesem Mann stillstand.
„Ja, auch ein junger Magier hat Grenzen der körperlichen Belastbarkeit.“ Naxander berührte sacht Kaidens Wange, was dieser mit einem schmerzlichen Zucken hinnahm. „Trotzdem muss ich wissen, was deine Magie dir verraten hat. Also: Wie kann ich an die Königin herankommen?“
Kaiden kroch weinend am Boden entlang, fort von ihm. Er widersetzte sich ernstlich! Eine Urgewalt, der er wenig entgegenzusetzen hatte, zerrte an Naxanders Beherrschung. Der Fluch zwang ihn, Kaiden zu bestrafen. Hart und grausam. Es widersprach Naxanders Natur. Rohe Gewalt bot Vorteile, musste aber wohldosiert bemessen werden. Viel zu rasch fügte man dem Opfer sonst bleibende Schäden zu.
Er wartete, dass Kaiden zusammenbrach, so wie zuvor, doch er wehrte sich weiterhin.
„Sag es mir, du musst nicht so sehr leiden. Sag es mir, letztendlich wirst du es tun müssen.“ So einschmeichelnd und behutsam wie nur möglich sprach er auf ihn ein. Kaiden schüttelte beharrlich den Kopf, obwohl er mittlerweile vollständig zerrüttet vor Angst zu sein schien.
„SAG ES!“ In Naxanders Schädel pochte die Wut mit aller Macht. Der Wille, zu bestrafen. Kaiden barg das Gesicht in den Handflächen und begann anhaltend zu schreien:
„Neinneineinneinneinneinneineinein!“
Raus!, dachte Naxander. Er stolperte zur Tür. Fort von dem vor schierer Panik wimmernden Geschöpf, das zusammengekauert dalag, abwechselnd schluchzte und schrie und sich dennoch dem Zwang nicht ergeben wollte. Ein Teil von ihm war fasziniert von Kaidens Kraft, die seiner eigenen deutlich überlegen war.
„NEKO!“
Mit fließenden Bewegungen eilte sein Lieblingsschüler herbei und verneigte sich ehrerbietig.
„Mein Sklave ist ungehorsam. Bestrafe ihn.“
„Und wie, Herr?“
„Schlag ihn, bis er ohnmächtig wird. Achte darauf, dass er nicht zu stark blutet, das lässt sich schlecht aus weißen Laken entfernen und noch viel schlechter von diesen Bodenfliesen. Sie saugen Flüssigkeiten zu rasch auf.“
Erleichtert spürte er, wie der übermächtige Zwang verebbte, nun, da er die Aufgabe delegiert hatte.
Naxander hatte die Tür fast geschlossen, als Neko ihm verwirrt hinterher rief:
„Herr? Wollt Ihr denn gar nicht zusehen?“
Er blickte an Neko vorbei. Betrachtete Kaiden, der ihn schwer atmend anstarrte. Entsetzen und Hass kämpften in ihm, erkennbar an seinem Gesichtsausdruck. Anscheinend war der Befehl unwirksam geworden und quälte ihn
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