Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
endlich beenden. Er könne nicht mehr warten. Er müsse tun,
was man von ihm erwarte. Er müsse beweisen, dass er es durchziehen könne. Der Kerl
war wie von Sinnen.«
»Halten
Sie durch, Armin! Sie schaffen das!« Martin sah zu dem sterbenden Mann herab, in
dessen Antlitz sich die Muskeln zu entspannen begannen. Genau dieselbe einsetzende
Entspannung hatte er bei seiner Verlobten Sabine beobachtet. Der kurze Moment, bevor
die Seele den Körper verließ.
Die Tür
zu der Hütte, die diesen Menschen beherbergte, wurde geschlossen.
Armin Rohdenstocks
Kopf glitt auf dem Kissen zur Seite. Zu jener Seite, wo Martin neben ihm kniete,
sodass die aufgerissenen Augen Martin anstarrten.
Ein kalter,
leerer Blick.
Armin Rohdenstock
war von der Bühne des Lebens abgetreten.
Martin ballte
die Fäuste und stand auf. Er blickte sich im Raum um, und seine feuchten Pupillen
glänzten im Schein der Lampe. »Spurensicherung!«, rief er mit brüchiger Stimme.
»Ich will, dass ihr jeden Zentimeter absucht. Alles. Fasern von Kleidung, Fingerabdrücke,
Haare, einfach alles.« Martin drehte sich um und sah sich in der Wohnung um. Es
war mehr ein sich Abwenden von der Leiche, von einem weiteren Menschen, dessen Tod
er nicht verhindern konnte. Dann, als er wieder einigermaßen klaren Sinnes war,
blickte er sich suchend um. Keine Verwüstung, keine Unordnung, nichts. Nicht einmal
das Türschloss war gewaltsam geöffnet worden. Obwohl sich Rohdenstock ein neues
Sicherheitsschloss hatte einbauen lassen, schien es den Mörder keinerlei Mühe zu
kosten, Schlösser jedweder Art zu knacken. Wer bist du, du Schwein? Ich glaube,
ich kenne dich. Ich weiß es genau. Ich krieg dich, du Schwein. Ich krieg dich. Und
dann gnade dir Gott.
Martin schritt
apathisch durch die Räume. Der Arzt hatte die Augen des Toten geschlossen und die
Hände vor seiner Brust ineinander gelegt. Der Krankenwagen war zu spät gekommen.
Der Körper Rohdenstocks würde in einem Alusarg die Wohnung verlassen und nicht auf
einer Trage, wie es Martin inständig gehofft hatte.
Martin ging
langsamen Schrittes ins Schlafzimmer, auf der Suche nach möglichen Hinweisen. Dann
fand er den Fingerzeig, mit dem er gerechnet hatte. Sorgfältig drapiert lag sie
da. Der Mörder hatte auf dem Nachttisch sein Erkennungszeichen abgelegt. Obwohl
er in Eile gewesen sein musste, hatte er sich die Zeit dafür genommen. Jedermann
sollte wissen, dass er es war. Warum auch immer. Die vielfältigen und nicht
nachvollziehbaren Beweggründe eines Psychopathen zu ergründen, entzog sich Martins
Fähigkeiten. Er hoffte nur, dass er den Mörder fassen würde, bevor dieser Feldmann
und Frau Braun erwischen würde.
Emilie Braun
kam ihm in den Sinn.
In diesem
Moment fasste Martin einen Entschluss. Einen unorthodoxen Entschluss – sicher, aber
in seinen Augen die einzige Möglichkeit, die er noch hatte.
Kapitel 43
Hamburg, 11. November 2010
Nachdem die Spurensicherung die
halbe Nacht durchgearbeitet und kaum verwertbares Material gefunden hatte, konnten
Martin und Werner abrücken. Martin musste sich eingestehen, dass der Mörder zwar
geistig auf einem absoluten Nebengleis fuhr, dennoch war er immer der Polizei einen
Schritt voraus. Er wusste offensichtlich, welche genetischen Spuren ihn verraten
könnten. Haare, zurückgelassener Dreck aus dem Profil der Schuhe, ein abgerissener
Knopf, Hautpartikel unter den Fingernägeln des Toten. Das Perverse an diesen Morden
war, dass der Mörder sein Handwerk verstand und ein übles Spielchen mit der Polizei
und den Medien trieb. Er bewegte sich unsichtbar zwischen den Sichtbaren, hinterließ
keine Spuren, außer dass ihm diesmal ein gewaltiger Fehler unterlaufen war. Das
Opfer hatte ihn gesehen und konnte ihn beschreiben. Doch was nützte es ihm noch?
Rohdenstock war tot und konnte nichts mehr dazu beitragen, den Mörder zu identifizieren.
Er konnte dem Beamten, der am Computer ein Phantombild anfertigen sollte, nicht
mehr über die Schulter schauen und zweckdienliche Hinweise geben. Alles, was er
gesehen hatte, hatte er Martin und Werner berichtet: ein blonder, großer, kräftiger,
unförmiger Typ mit blauen Augen und blonden Haaren. Diese Beschreibung engte zwar
die Suche ein wenig ein, doch im norddeutschen Raum war dieser Typ Mann keine Seltenheit.
Gegen drei Uhr lag Martin in seinem
Bett, und obwohl er dringend Schlaf gebraucht hätte, fand er keine Ruhe. Die geöffneten
Augen von Armin Rohdenstock sahen ihn noch an, und in dem Zustand zwischen
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