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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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noch. Er wurde erstochen. Der Nachbar
hat Schreie gehört und angerufen.«
    »Scheiße.
Hat er den Täter gesehen?«
    »Ja, hat
er, aber nur von hinten.«
    »Gut, ich
bin gleich da.« Martin riss sich den Pyjama vom Körper und zog die Klamotten an,
die er den ganzen Tag über schon getragen hatte. Das Haar band er eilig in einem
Zopf zusammen, schlüpfte in die Schuhe und rannte aus der Wohnung. Kaum war er seinem
warmen Bett entflohen, meldete sich die Nase mit einem penetranten Kitzeln, das
von einem im Hausflur widerhallenden Niesen quittiert wurde. Ein ebenso lauter Fluch
unterstrich Martins Stimmung kurz vor Mitternacht.
    Er startete
den BMW, dessen Motor noch nicht erkaltet war, und rechnete. Die Fahrt zu Rohdenstock
würde unter normalen Umständen 15 Minuten dauern, sieben ohne Ampeln, mit Blaulicht
und Martinshorn bei 120 km/h.
    Nach acht
Minuten kam Martin vor Rohdenstocks Haus an. Er schlug hinter sich die Tür des Wagens
zu und lief keuchend die Stufen im Treppenhaus empor. Der Fahrstuhl war eine klapprige,
alte Maschine aus den Siebzigern, und trotz nicht vorhandener sportlicher Fitness
war er zu Fuß schneller oben.
    Keuchend
kam Martin im fünften Stock an. Rohdenstock lag in der Mitte seines Wohnzimmers
in einer beachtlichen Blutlache. Ein Blick genügte und Martin schätzte, dass Rohdenstock
bereits einen von sechs Litern auf dem Teppich verteilt hatte. Der Notarzt, der
nur wenige Minuten vorher eingetroffen war, hatte einen venösen Zugang gelegt und
physiologische Kochsalzlösung in Armins Venen geschickt. Das Blut Rohdenstocks sprudelte
aus zahlreichen Stichwunden gleichzeitig, doch er war noch bei Bewusstsein. Der
Täter hatte sich nicht die Mühe gemacht, den Tod abzuwarten. Ein Schnitt durch die
Kehle hätte die Sache schneller beendet, doch es schien, als habe er aus irgendeinem
Grund wie ein Verrückter auf das Opfer eingestochen, ohne das Herz getroffen zu
haben.
    Martin beugte
sich zu Rohdenstock hinab, dessen Körper sich in einem akuten Schockzustand befand.
Seine Augen lagen tief in ihren Höhlen versunken. Das knöcherne Dach der Augenhöhle
zeichnete sich deutlich wie bei einem Totenkopf ab. Die dünnen, nicht von einem
Bart umrahmten Lippen färbten sich zyanotisch. Erstaunlich war nur, dass Martin
in Rohdenstocks Gesichtszügen nicht die Spur von Wut, Bitterkeit oder Hass fand.
Schmerzen schien er nicht zu haben. Trotz seiner misslichen Lage wirkte er paradoxerweise
entspannt. Als würde er es begrüßen zu sterben, rang sich der Maler und Bildhauer
sogar ein Lächeln ab. Martin wusste, welche Hormone der Körper in Situationen wie
diesen ausschüttete. Der Schockzustand ließ ihn die Schmerzen nicht spüren. Blut
lief aus seinem Mundwinkel.
    »Helfen
Sie mir auf«, gurgelte es aus seiner Kehle. Martin hob Rohdenstocks Kopf auf ein
Kissen. »Ich hab ihn gesehen. Ich hab ihm die Maske vom Kopf gerissen.«
    »Psst!«,
unterbrach ihn Martin und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ganz ruhig. Nicht
sprechen.« Die Anstrengung, die Rohdenstock für die paar Worte aufbrachte, schien
gewaltig.
    »Egal«,
keuchte Rohdenstock. »Ich will, dass Sie das Schwein finden. Ich hab ihn gesehen«,
wiederholte er ein weiteres Mal. »Er war groß und blond. Wir haben miteinander gekämpft.
Er ist ein bisschen dick, aber kräftig. Und blass war er.« Rohdenstock hielt inne
und atmete schwer. Einige Stiche hatten seine rechte Lunge durchbohrt, und ein gespenstisches
Pfeifen drang an die Ohren der Ermittler. Ein letztes Mal bäumte sich das Opfer
auf. »Er war kalkweiß im Gesicht wie ein Albino.« In dem Moment ertönte die Sirene
des Krankenwagens. Mittlerweile war das Gebiet von uniformierten Beamten abgeriegelt,
sodass nicht einmal eine Maus unbemerkt den Häuserblock hätte betreten oder verlassen
können. Der Täter indes war längst in Sicherheit.
    »Lassen
Sie ihn«, drängte der Notarzt. »Er strengt sich zu sehr an.« Rohdenstock schüttelte
den Kopf und sein Körper schien nun doch die Signale der unzähligen Wunden an das
Schmerzzentrum seines Gehirns zu senden. »Nein, bitte. Mein Leben ist sowieso zu
Ende, und das ist auch gut so. Ich bin froh, dass ich nicht mehr kämpfen muss. Endlich
Frieden.« Martin sah Werner an und darauf Rohdenstock. »Hat der Kerl irgendwas zu
Ihnen gesagt?«
    Rohdenstock
versuchte, in den Grenzen, die ihm blieben, den Kopf zu schütteln. »Der Typ war
völlig irre. Diese Augen. Wie ein Besessener. Er murmelte die ganze Zeit wirres
Zeug. Er müsse die Sache

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