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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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zurück.«
    Schillig
stellte die Tasse auf dem Tisch ab und bedachte Martin mit einem Blick, der eines
Psychiaters würdig war. Ein Blick, der Röntgenstrahlen ersetzte, durchdringend,
forschend, aber in diesem Fall vor allem eiskalt. In diesen Sekunden war Schillig
davon überzeugt, dass Pohlmann innerhalb der Mauern dieser Abteilung besser aufgehoben
wäre als außerhalb. Zumindest, bis sich sein Zustand gebessert hatte. Solch ein
sonderbares Anliegen war noch nie an ihn herangetragen worden, darum hörte er auch
nicht auf, den Kopf zu schütteln. Vorsichtig begann er, die Sache erneut zu beleuchten.
»Okay. Nur damit wir uns beide richtig verstehen. Sie wollen Frau Braun aus unserer
Obhut nehmen und sie irgendwo unterbringen, wo sie keine medizinische Versorgung
erhält?«
    »Genau.
Sie wird unter polizeilicher Kontrolle stehen.«
    »Ich habe
ja schon gemerkt, dass Sie eher ein unkonventioneller Typ sind, aber das hier geht
eine Spur zu weit. Haben Sie überhaupt eine Ahnung, wie man mit pflegebedürftigen
Menschen umgeht, noch dazu mit geistig behinderten?«
    Pohlmann
zupfte an seinem Hemd herum und stopfte einen Zipfel in die Hose zurück.
    »Kann doch
nicht so schwer sein«, erwiderte er fahrig. Die eindringlichen Fragen des Arztes
säten jene unliebsame Frucht, die er jetzt erntete: Zweifel. Er wurde unsicher,
ob seine Entscheidung die richtige war. Er wusste, wenn Schillig noch eine Weile
weiterreden würde, würde er anfangen nachzudenken, seinem Bauch nicht mehr gehorchen,
intellektuelle Gedanken gegeneinander abwägen, und wenn es auf den Instinkt ankam,
waren solche Gedanken tödlich. Für manche Menschen im wahrsten Sinne des Wortes.
Nach einem Augenblick des Haderns wusste er wieder, dass er das Richtige tat. Er
sah vom Boden auf in Schilligs entsetztes Gesicht. »Es ist die einzige Möglichkeit,
sie zu beschützen. Wir sind davon überzeugt, dass Professor Keller nicht Selbstmord
begangen hat und dass der Täter ein weiteres Mal zuschlagen wird. Frau Braun ist
in akuter Gefahr, denn sie hat sich an dem Prozess damals beteiligt.«
    Martin sah
an Schillig vorbei und schloss einen Herzschlag lang die Lider. Die toten Augen
Rohdenstocks blendeten sich ein. »Gestern Nacht ist wieder ein Mann ermordet worden,
und ich werde nicht zulassen, dass Frau Braun die Nächste ist. Das müsste doch auch
Ihnen einleuchten?«
    Dr. Schillig
schüttelte noch immer den Kopf und wich von seiner Eingangsdiagnose nur wenig ab.
Nun hielt er Martin zwar nicht mehr für akut behandlungsbedürftig, war jedoch nach
wie vor davon überzeugt, dass in dem einen oder anderen Gespräch Therapieansätze
zu finden sein müssten.
    »Na schön.
Sie scheinen das wirklich ernst zu meinen. Ich werde Frau Braun in Ihre Obhut geben,
aber nur unter Protest. Und Sie müssen mir unterschreiben, dass Sie sie gegen meinen
ärztlichen Rat mitnehmen.«
    »Ja, ja,
ich weiß schon. Sie möchten sich aus forensischen Gründen absichern, um nicht verklagt
werden zu können. Schon klar. Ich unterschreib Ihnen Ihren Wisch. Aber machen Sie
schnell. Ich hab heute noch eine Menge zu erledigen.«
    Dr. Schillig
griff nach einem Stapel Einverständniserklärungen und suchte nach einem passenden
Dokument. Die meisten Vordrucke entsprachen nicht diesem außergewöhnlichen Fall,
und so nahm er ein Formular, was der Angelegenheit in etwa nahekam. Er strich darin
einige Passagen durch und ersetzte sie durch handschriftliche Bemerkungen. Martin
las das Formular nicht durch, drehte es nur um und tippte mit der Spitze des Kugelschreibers
auf eine gestrichelte Linie.
    »Hier unten?«
    »Genau.
Da wo ›Vormund‹ steht.«
    Martin setzte
sein Kürzel unter die Erklärung. »So, jetzt lassen Sie uns bitte zu Frau Braun gehen.
Ich möchte Sie ersuchen, Frau Kaschewitz einzuweihen, damit sie Frau Brauns Tasche
packt und mit ihr spricht. Geht das in Ordnung?«
    »Ja, sicher.«
Schillig sah auf die Uhr. »Sie müsste schon da sein.« Der Arzt legte seine Hand
auf die Klinke der Tür, die sie von dem Flur trennte. Einen Augenblick verharrte
er regungslos und drehte sich erneut zu Pohlmann um. »Ihre Methoden sind mehr als
ungewöhnlich. Das wissen Sie aber schon, oder? Sie sind sich sicher, dass Sie das
Richtige tun, ja?«
    Martin schob
den Arzt auf den Flur hinaus. »Vertrauen Sie mir einfach. Ich nehm alles auf meine
Kappe. Ihre Emmi ist bei mir am sichersten, jedenfalls deutlich sicherer als hier,
davon bin ich überzeugt.«
    »Na schön,
aber auf Ihre Verantwortung.«

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