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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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möchten sie nicht mit hier reinbringen, weil Sie sie nicht mit der Vergangenheit
konfrontieren wollen.« Martin war erstaunt, wie rasch sie den Zusammenhang begriff.
    »Aber warum
haben Sie sie denn überhaupt dabei? Ich denke nicht, dass es klug ist, sie so lange
unbeaufsichtigt im Wagen zu lassen. Sie könnte aussteigen und weglaufen?«
    Der Gedanke
war Martin auch schon durch den Kopf gegeistert, und er hatte ihn rasch beiseite
geschoben. »Okay. Ich hole sie, doch es kann sein, dass sie eine Art psychogenen
Anfall bekommt. Ich habe keine Ahnung, wie sie reagieren wird.«
    »Keine Angst.
Wir haben hier die besten Spezialisten. Auch ich bin gut ausgebildet. Seien Sie
unbesorgt.«
    Sogleich
drehte sich Martin auf dem Absatz um und eilte zur Tür hinaus auf das Gelände des
Krankenhauses. Er beschleunigte seine Schritte, als ihn eine dunkle Vorahnung beschlich.
Noch wenige Meter und er würde um die Ecke biegen und seinen auf dem Besucherparkplatz
abgestellten Wagen sehen können. Die Ecke kam und er sah seinen Wagen sofort. Er
stach aus der Menge der geparkten Wagen hervor, weil eine Tür sperrangelweit offen
stand und zwar die Beifahrertür, genau, wie er es die ganze Zeit befürchtet hatte.

Kapitel 48
     
    Lüneburg, 11. November 2010
     
    Pohlmann begann zu rennen und blickte
sich auf dem Weg nach allen Seiten hin um. In diesem Moment rutschte er auf einem
Haufen matschiger Blätter aus und fiel der Länge nach in den herbstlichen Dreck.
Keinen Gedanken an seine beschmutzte Hose verschwendend, richtete er sich ächzend
auf und lief weiter. An seinem Wagen angekommen, überzeugte er sich, dass Emilie
Braun sich weder im noch unter dem Wagen befand. »Verdammter Mist!«, fluchte er
und stampfte mit den Füßen auf. Er knallte die Tür des BMW zu und schlug mit der
Faust auf das Dach. Wo sollte er sie suchen? Wo würde sie hinwollen? War überhaupt
anzunehmen, dass sie irgendetwas Konkretes wollen konnte oder war die in einer Anstalt
lebende, suizidgefährdete alte Frau einfach nur abgehauen? Martin wirbelte so heftig
im Kreis herum, dass sich seine Haare über die Schulter um seinen Hals legten. Ohne
zu wissen, wohin, lief er los. Er rannte zur Straße, von wo sie gekommen waren,
und überblickte den Gehweg zu beiden Seiten. Einige Fußgänger gingen ihres Weges,
doch eine kleine Emilie, die sich in einer ihr fremden Stadt tippelnd fortbewegte,
war nicht unter ihnen. Die Passanten sahen ihm nach. Sie wussten ja, von welchem
Gelände er gerannt kam, und fürchteten, sie hätten es mit einem entflohenen Irren
zu tun. Genauso wirkte er auch.
    Er dachte,
laut zu rufen würde keinen Sinn machen, er tat es trotzdem. Er rief sie bei ihrem
Vornamen, und in seinen Rufen lag ein Maß an Verzweiflung, die sich nicht nur dadurch
erklären ließ, dass er sich darüber klar war, als Bulle komplett versagt zu haben,
sondern weil er sich eingestehen musste, dass es ihn persönlich treffen würde, wenn
ihr etwas zustoßen sollte. Ja, er mochte sie. In all ihrer sonderbaren Verschrobenheit
hatte sie sich in sein Herz geschlichen.
    Nachdem
er, auf dem Gehweg rufend, zu beiden Seiten der Gebäude Hundert Meter vor- und zurückgelaufen
war, beschloss er, zurück aufs Gelände der Klinik zu gehen und Emilie im Umfeld
seines Wagens zu suchen. An den Parkplatz grenzte ein Waldstück, bestehend aus einer
Mischung aus Nadel- und Laubbäumen. Obwohl die meisten Bäume ihr dichtes Blätterkleid
abgeworfen hatten, konnte man das Ende des Waldes mit den Augen nicht ohne Weiteres
ausmachen. Schnaufend hastete der Kommissar, der nicht mehr die Kondition seiner
Jugend hatte, durch das Dickicht. Er rief ihren Namen, Vornamen und Nachnamen, in
allen Variationen durch den Wald. Die Panik stieg in ihm auf und er blieb stehen.
Er musste verschnaufen. Die Lunge stach mit jedem Meter mehr in seiner Brust und
der Puls raste jenseits der 180. Wenige Schritte neben ihm knackte es im Unterholz.
»Emilie?«, rief er in die Stille hinein und drehte sich um. Niemand antwortete.
Er ging in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, schob Äste beiseite
und fand einen ebenso verängstigten Hasen vor, der sogleich in seinem Bau verschwand. Ich werde noch verrückt, plagte es ihn. Das Gewissen steinigte ihn mit Vorwürfen,
die alle wahr waren. Schuldig im Sinne der Anklage. Was, wenn ihr etwas passiert
war? Abgesehen davon, dass es ihm ehrlich leid getan hätte – den Job wäre er los
gewesen oder er würde bis zu seinem Dienstende Bestandslisten in der

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