Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
gehört – die Morde an den ehemaligen
Klägern, dieser Lebensbornkinder. Sie wissen schon.« Die Frau, die keinerlei Hinweis
auf ihren Namen zu erkennen gab, lächelte und nickte. Sie kannte nicht viele Männer,
die einen roten Kopf bekamen, wenn sie einer attraktiven Frau gegenüberstanden und
anfingen zu stottern. Solche Männer waren ihr sympathisch.
»Nach welchen
Hinweisen suchen Sie genau? Vielleicht kann ich Ihnen ja ein bisschen helfen.«
»Ja, das
wäre toll. In der Tat. Also, es geht um einen ehemaligen Arzt, der hier gearbeitet
haben soll. Eigentlich steht fest, dass er hier gearbeitet hat, aber innerhalb dieses
großen Vertuschungsnebels heißt es ja immer nur sollte, könnte, müsste. Was ich
brauche, sind Beweise und zwar nicht nur dafür, dass er hier war, sondern dass er
sich an den Euthanasiefällen beteiligt hat.«
»Können
Sie mir denn einen Namen nennen? Wir haben erst gestern alte Handakten aus dem Keller
geborgen, die hinter einer Zwischenwand versteckt waren.«
Die freundliche
Frau schien ebenso verlegen zu sein wie Pohlmann und fuhr sich mit der rechten Hand
durchs Haar. »Können Sie sich das vorstellen, nach so langer Zeit. Hätten wir nicht
einen Wasserrohrbruch gehabt, hätten wir das kleine Loch in der Wand nicht entdeckt.
Die Akten waren in einer Kiste versteckt und eingemauert worden.«
»Ich suche
Unterlagen zu einem Dr. Richard Fürst. War damals Doktorand bei Professor Kranitz.
Lebt heute noch und erfreut sich bester Gesundheit.« Die Abneigung Martins gegenüber
diesem Mann war deutlich zu spüren. Die Angestellte rieb sich mit den feingliedrigen
Fingern am Kinn und dachte nach. Martin betrachtete sie verstohlen und spürte, dass
seine Unsicherheit ihr gegenüber nicht weichen wollte. Er blickte in ein ungeschminktes,
naturschönes Gesicht mit feinen Fältchen um die braunen Augen. Ihre Haut war der
Jahreszeit entsprechend blass, erschien Martin jedoch makellos. Ihm fielen die verschmitzten
Grübchen in den Mundwinkeln auf. Ihr brünettes Haar war zu einem schlichten Zopf
geflochten und der zierliche Oberkörper mit einer Kaschmirjacke bekleidet. Alles
an ihr wirkte wohltuend natürlich.
»Nein, tut
mir leid. Der Name sagt mir jetzt nichts.« Sie wiegelte ab. »Das will aber nichts
heißen. Ich arbeite normalerweise in einer anderen Abteilung und vertrete seit einer
Woche meine schwangere Kollegin. Es gibt ein sehr umfangreiches Archiv aller hier
einst lebenden Personen.« Sie machte eine kleine Pause. »Und natürlich die noch
versiegelten Handakten, die erst durchgearbeitet und freigegeben werden müssen.«
»Und wo
ist das Archiv? Das Problem ist, ich habe nicht viel Zeit. Ich habe jemanden im
Auto sitzen lassen müssen.« Die Dame sah ihn fragend an. Ein Polizist, der eine
andere Person im Auto sitzen lässt, während er selbst Ermittlungen durchführt? Wer
sollte das sein? Ihre Neugier ließ ihr keine Ruhe.
»Ein Kind
oder … einen Verbrecher?« Ungezwungen und herzlich lachte sie auf, und Martin bewunderte
ihre ebenmäßigen weißen Zähne. Wenn sie lachte, rutschte die Lippe über einen seitlichen
linken Schneidezahn, der etwas vorstand und dem Gesicht die Perfektion nahm und
Sympathie verlieh.
»Weder noch.
Eine Art Zeugin. Eine ältere Dame, sozusagen.«
»Holen Sie
sie doch dazu. Das Archiv ist ziemlich umfangreich und ich könnte mich in der Zwischenzeit
mit Ihrer Zeugin beschäftigen, wenn Sie wollen. Ich kann gut mit älteren Leuten.
Ist mein Job hier. Ich bin Altenpflegerin.«
Martin zögerte.
»Na, ich weiß nicht. Sie ist … ein wenig exzentrisch. Sie ist normalerweise auch
in einer geschlossenen Anstalt untergebracht, aber eigentlich ist sie freiwillig
…« Martin hantierte an seinem Schlüsselbund herum. Er war noch nie der Souveränste
im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht gewesen, doch diesmal wunderte er sich über
seine postpubertäre Hilflosigkeit. Er machte einen zweiten Anlauf. »Sie lebt schon
ihr ganzes Leben dort, in Norderstedt, und das Problem ist, sie war mal an diesem
Ort hier.«
»Sie meinen,
sie war in dieser Kinderfachabteilung?« Ihr ungeheucheltes Entsetzen stand ihr ins
Gesicht geschrieben. Plötzlich gab sie Martin die Hand. »Ich heiße übrigens Catharine
Bouschet.«
»Angenehm.«
Der Kommissar nahm die Hand entgegen. »Pohlmann.«
Frau Bouschet
lächelte. »Ja, das weiß ich schon.«
»Also, Martin Pohlmann, meine ich. Französin?«
»Mein Vater
war Franzose, meine Mutter Deutsche.«
Martin nickte.
»Okay. Und
Sie
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