Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
auch nicht, was ich
dort soll. Schätze, ich fahre zu Feldmann.«
»Und Emilie?«
»Nehme ich
mit. Bleib du an Dräger dran.«
»Für ’ne
Fahndung oder ’ne Hausdurchsuchung ist die Lage wohl noch ein bisschen dürftig.
Taubenfedern und ’n schlechter Parfümgeschmack.«
»Es soll
angeblich ein Gutachten von Professor Keller über ihn geben. Keller hielt ihn schon
seit zwei Jahren für gefährdet und wollte ihn aus dem Verkehr ziehen.«
»Wer sagt
das?«
»Emilie.«
Werner schnaubte
verächtlich. »Nicht gerade die beste Quelle. Für den Staatsanwalt alles in allem
zu wenig.«
»Ich weiß.
Versuch du, Dräger ausfindig zu machen.«
»Okay, dann
bis morgen.«
Pohlmann
beendete das Gespräch und dachte nach. Er wollte die Nacht schlafend verbringen
und nicht jede Minute damit rechnen müssen, dass Dräger mit einer Waffe, welcher
Art auch immer, neben seinem Bett erschien, um ihn zu killen. Wenn es Dräger tatsächlich
immer und überall gelang, Sicherheitsschlösser als leicht zu überwindendes Hindernis
zu bewältigen, dann würde er wenigstens hören wollen, wenn ein ungebetener Gast
hereinschneite. Martin kramte in einer Schublade, die er bereits Jahre nicht mehr
geöffnet hatte, und förderte eine weihnachtliche Glockenkette ans Tageslicht. Er
mochte dieses alberne Ding nicht, das Sabine vor über vier Jahren aus einem Bayernurlaub
mit nach Hause gebracht hatte, doch nun sollte es ihm gute Dienste erweisen. Er
brachte die Glocken über dem Türrahmen der Eingangstür an. Sollte sich jemand Zutritt
zu seiner Wohnung verschaffen, würde es einen Lärm machen, der ihm die Zeit für
den Griff zur Waffe schenken würde. Und doch ahnte Martin, dass es nicht diese Nacht
sein würde, in der sich der Mörder sein nächstes Opfer suchen würde. Jede andere,
aber nicht diese.
Kapitel 50
Hamburg-Eimsbüttel, 12. November
2010
Am nächsten Morgen rief Martin als
Erstes bei Alois Feldmann an und kündigte ihm seinen Besuch an. Er würde auch Frau
Braun mitbringen, und bis dahin solle er auf keinen Fall das Haus verlassen. Er
fragte ihn, ob vor seinem Haus noch der Beamte in seinem Wagen zu sehen sei. Die
Antwort verwunderte Martin nicht. Feldmann hätte in den letzten Tagen keinen Beamten
in der Nähe seines Hauses bemerkt, was nicht bedeutete, dass keiner da gewesen war.
Kurz nach
neun verließ Martin das Haus. Emilie gähnte unentwegt. Nicht, weil sie noch müde
war, sondern schon wieder. Beim Frühstück erzählte sie von ihrer Nacht, der ersten
seit Jahren ohne schlaffördernde Medikamente. Sie sei gut eingeschlafen, gegen zwei
Uhr wach geworden und hätte sich zunächst in ihrer Umgebung zurechtfinden müssen.
Sie sei aufgestanden und habe sich im Wohnzimmer auf den Boden gesetzt, zu den Büchern,
die sie, wie um ein Revier zu markieren, in einem Halbkreis dort abgelegt hatte.
Lange Zeit hätte sie einfach nur dagesessen und nachgedacht. Dann habe sie ein Buch
gelesen. Die Nacht in Freiheit sei zu schade gewesen, um zu schlafen, sagte sie.
Schlafen könne sie später noch genug.
Martin überlegte
im Auto, was sie damit gemeint haben könnte, und hoffte inständig, dass Emilie nicht
neue Suizidgedanken hegte. Er war kurz davor, sie zu fragen, doch er wusste nicht,
wie es auf sie wirken würde, dieses Thema anzuschneiden. Er ließ es auf sich beruhen.
Er hätte ohnehin keine Antwort bekommen, sie war nach wenigen Minuten im Auto wieder
eingeschlafen. Autofahren schien in den letzten Tagen für sie einen hypnotischen
Effekt zu haben: Motor an – Augen zu.
Alois Feldmann
hatte auf Martin und Emilie gewartet. Das Haus war aufgeräumt, so wie beim letzten
Besuch. Feldmann trug eine curryfarbene Cordhose, ein kariertes Hemd mit einer Lederweste
darüber. Nichts an seiner Erscheinung ließ auf einen Mann schließen, der sich in
einem seelischen Ausnahmezustand befand. Keine Spur von Angst in seiner Stimme oder
Anzeichen für aufkeimende Panik. Der Mann war die Gelassenheit schlechthin, und
Martin fand dieses Verhalten in Anbetracht einer realen Bedrohung mehr als befremdlich.
Um Feldmanns verständliche Frage nach Martins Begleitung vorzugreifen, erklärte
er den Umstand gleich bei Betreten des Hauses.
»Frau Braun
steht unter meinem persönlichen Schutz und ab sofort Sie auch, wenigstens so lange,
bis wir eine andere Lösung für das Problem finden.«
»Sie glauben
immer noch, dass es jemand auf mich und Frau Braun abgesehen hat?«
»Allerdings.
Der Mörder spielt ein Spielchen mit mir. Er bricht
Weitere Kostenlose Bücher