Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
bei mir zu Hause ein und lässt
mir Hinweise da. Mit Vorliebe weiße Federn. Diesmal waren es sogar drei.«
»Sagten
Sie nicht, dass er eine Feder am Tatort zurücklässt?«
»Ja, das
stimmt. Normalerweise tut er das. Er hat seine Vorgehensweise geändert. Jetzt scheint
er die Opfer warnen zu wollen, warum auch immer. Wir haben es hier mit einem psychisch
gestörten Menschen zu tun, den man nicht mit normalen Maßstäben messen kann. Trotzdem
scheint er sich seiner Sache ziemlich sicher zu sein.«
»Und warum
drei?«
Pohlmann
schaute grimmig. »Keine Ahnung. Schätze, er mag mich auch nicht besonders.«
»Kann ich
Ihnen etwas anbieten? Muss ich mich auf einen langen Tag mit Ihnen einstellen? Unter
diesen Umständen habe ich zu wenig im Haus.«
»Ach, lassen
Sie mal. Heute Mittag lade ich Sie auf Staatskosten zum Essen ein, und bis heute
Abend werden wir sehen, wie es weitergeht.«
Martin,
Emilie und Alois Feldmann stellten eine ulkige Gruppe aus Menschen dar, die verschiedener
hätten nicht sein können. Emilie tat das, was ihr am nächsten lag. Sie ging im Wohnzimmer
umher und schien sich jedes Detail einzuprägen. Wie selbstverständlich strebte sie
auf die Bücherwand zu, in der Feldmann einen Großteil theologischer Bände aufzuheben
pflegte. Dies schien für Emilie keinerlei Hindernis darzustellen, auch darin zu
schmökern. Alles Geschriebene interessierte sie, auch Theologisches. Sie suchte
sich einen dicken Band von Romano Guardini aus. Ein Buch mit dem tiefschürfenden
Titel ›Vom Sinn der Schwermut‹. Mit dem Buch in der Hand suchte sie nach einer geeigneten
Stelle auf dem Boden, entschied sich aber erstaunlicherweise doch für einen abseits
stehenden Sessel. Von da an verschwand sie in dem Buch für gut zwei Stunden, in
denen sie 20 Mal gähnte.
Martin und
Alois unterhielten sich über Kellers Arbeiten, über die Wahrscheinlichkeit, einen
weiteren Prozess gewinnen zu können, für den Fall, dass die übrigen Kläger am Leben
geblieben wären. Ob unter den gegebenen Umständen ein neuer Prozess stattfinden
würde, schien beiden mehr als zweifelhaft. Zwischendurch stand Martin auf, ging
im Raum umher und lauschte den Geräuschen von der Straße. Was er im Falle eines
Attentats zu hören glauben müsste, wusste er nicht genau, er wollte auf alle Fälle
vorsichtig sein. Er schob die Gardine zur Seite und sah sich zu beiden Seiten hin
um. Er hoffte, dass jeden Moment sein Handy klingeln und Werner die befreiende Nachricht
verkünden würde, Dräger gefunden zu haben.
Das Handy
blieb stumm.
Gegen elf
Uhr schellte es an der Tür.
»Erwarten
Sie Besuch?«, fragte Martin, und die Erregung in seiner Stimme blieb Feldmann nicht
verborgen.
»Meine Putzfrau
kommt ein Mal in der Woche zum Bügeln.«
»Und? Kommt
sie immer um diese Zeit?«
»Je nachdem,
wie sie es schafft. Sie wohnt drei Häuser weiter, und wenn sie mit ihrer eigenen
Arbeit fertig ist, schaut sie bei mir vorbei. Wenn ich nicht da bin, probiert sie
es später noch mal.«
»Und in
dieser Woche war sie noch nicht da?«
Feldmann
schüttelte nachdenklich den Kopf.
Martin sah
aus dem Fenster, doch er konnte den Hauseingang nicht einsehen. Die Begründung schien
ihm einleuchtend zu sein, und er hegte keinen Argwohn.
»Gut, machen
Sie ihr auf. Ich denke jedoch nicht, dass jetzt der geeignete Augenblick zum Bügeln
ist.« Martin deutete auf Emilie hin. Feldmann nickte verständnisvoll.
»Ich sag
ihr, sie soll morgen wiederkommen.«
Martin hörte,
wie die Tür geöffnet und ein paar Worte gesprochen wurden. Dann wurde es still.
Martin wartete einen Augenblick, zog seine Waffe und ging zur Tür, die offen stand.
Er konnte Feldmann nirgends entdecken. Auch eine Nachbarin war nicht zu sehen. Mit
der Waffe in der rechten Hand näherte er sich der Tür. Er blickte ins Freie, ohne
Feldmann zu erblicken oder zu hören. Er wandte sich nach links um die Ecke des Türrahmens,
und in dem Moment, als er sich zur anderen Seite umdrehen wollte, trafen ihn für
mehrere Sekunden 500.000 Volt am Hals. Das Gerät bewirkte einen elektrischen Schlag
im neuromuskulären System und brachte Martin zu Fall. Der eiserne Wille, seine Waffe
gegen den Angreifer einzusetzen, blieb ohne die folgende Tat.
Noch im
Fallen sah er Feldmann am Boden liegen.
Dräger war ein großer, kräftiger
Mann, und mit einer Behändigkeit, die ihm niemand zugetraut hätte, wuchtete er nacheinander
die beiden bewusstlosen Körper ins Haus zurück. Er wurde nicht beobachtet. Der
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