Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
Ihrer Stärke
und Ausdauer anzutreten haben. Na ja, und dann dachte ich mir«, Dräger rieb sich
die Hände, »falls Sie noch am Leben sind, gibt es einen kleinen stärkenden Mittagssnack,
um in die zweite, nicht ganz so angenehme Nachmittagsrunde zu gehen. Ich würde gern
endlich mal alle meine netten Spielsachen ausprobieren, wenn Sie gestatten.«
»Hören Sie
auf mit diesen Untaten, Herr Dräger.« Feldmann nahm die Hände vom Gesicht und blickte
aus seiner Hockstellung zu Dräger auf. Er erschien ihm aus dieser Position wie ein
Eisbär, der kurz davor war, sein Opfer mit seiner Pranke zu erschlagen.
»Oh, Herr
Dräger sagen Sie? Da hat jemand eine gute Erziehung genossen, was? Das hört man
doch gern.«
»Ich möchte
mit Ihnen reden, Herr Dräger.«
»Oh, möchte
der Herr Pastor mir eine Predigt halten? Über Gutes und Böses und die schlimmen
Sünden, die wir tagein, tagaus begehen, hm?«
»Nein, das
möchte ich nicht. Das hätte keinen Sinn mehr. Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen.«
»Oh, da
bin ich aber gespannt. Na, dann schießen Sie mal los.«
»Ich denke,
es reicht, wenn Sie mich töten. Es geht Ihnen doch nur darum, den Prozess zu verhindern,
wer auch immer Ihre Auftraggeber sind.«
»Woher wollen
Sie denn wissen, dass es mehrere sind?«
»Keine Ahnung.
Das habe ich nur so gesagt. Vielleicht ist es auch nur einer, und es ist mir auch
egal. Derjenige wird schon seine gerechte Strafe erhalten. Durch meinen Tod hätten
Sie Ihren Auftrag vollständig erfüllt. Emilie wird und kann ohne mich sowieso nichts
machen, und sie wurde ja eh nur durch Professor Keller mitgezogen. Auch ich habe
mich zu diesem Prozess von Keller überreden lassen, aber damit Sie sicher sein können,
reicht es völlig aus, nur mich zu töten.«
Dräger nickte
und stülpte die Lippen, als sei er stolz auf seinen Schützling. »Na, wenn das kein
Edelmut ist. Sie wollen sich tatsächlich für diese beiden hier opfern? So, wie das
Ihr toller Jesus getan hat, habe ich recht? Ihr großes Vorbild, wie?«
»Ganz unabhängig
davon, ist es einfach nur logisch. Was haben Sie denn davon, uns alle hier umzubringen?«
»Mein liebes
Pastorchen, Sie haben überhaupt nichts verstanden. Es geht mir schon lange nicht
mehr darum, meinen Auftrag zu erfüllen. Eigentlich habe ich schon viel mehr getan,
als ich sollte. Ich sollte den Prozess lediglich verhindern, das stimmt, aber wie
ich das anstelle, war mir überlassen. Die Herren haben sich wohl gedacht, plumpe
Einschüchterungen würden reichen, doch ich meine wohl, einen Kläger ganz auszuschalten,
ist viel effektiver, finden Sie nicht?«
Dräger stemmte
die Hände in die Hüften.
»Außerdem
wollte ich keine halben Sachen machen. Ich möchte, dass man mit meinen Leistungen
zufrieden ist. Und außerdem – tja, das hätte ich selbst gar nicht gedacht –, macht
es mir einen Riesenspaß, Sie fertigzumachen. Einen alten Priester, einen abgehalfterten,
zotteligen Bullen und eine schwachsinnige Alte, die ich sowieso noch nie ausstehen
konnte.« Dräger ließ seine Worte eine Weile von den kahlen Wänden des Verlieses
widerhallen. Er fügte hinzu: »Also, mein Lieber. War sicher nett gemeint von Ihnen,
aber ich muss Sie enttäuschen. Ich werde Ihren Wunsch nach einem baldigen Ende Ihres
lächerlichen Lebens so schnell wie möglich erfüllen, doch erst sind die beiden anderen
dran, und ganz zum Schluss, wenn nur noch wir zwei übrig sind, dann werden wir eine
Menge Spaß haben.«
Dräger zog
die Polizeiwaffe aus dem Hosenbund hervor und ging zu Pohlmann hinüber. »Gut sehen
Sie aus, mein Lieber. Bisschen unsymmetrisch, nur ein blaues Auge zu haben. Aber
das können wir ja gleich ändern. Doch zuvor möchte ich mir Ihre kleinen Bullenfingerchen
ansehen. Netter Verband, den Sie da haben. Wenn ich mit Ihnen fertig bin, wird der
allerdings nicht mehr ausreichen.«
Dräger wandte
sich an Feldmann. »Wenigstens haben Sie Ihre hübsche Weste geopfert. Ist doch auch
was. Reißen Sie schon mal einen neuen breiten Streifen raus. Es sind noch viel zu
viele Finger heile.« Dräger stand direkt vor dem sitzenden Kommissar und fuchtelte
mit der Waffe an Martins Stirn herum. In dem Moment sah Martin seine Chance. Er
atmete tief ein, ballte die linke Faust und legte all seine Kraft, die er in dieser
ungünstigen Position aufbieten konnte, in den ersten Schlag. Die Faust schnellte
in Richtung des Magens, doch als Dräger den Schlag kommen sah, spannte er im letzten
Moment die trainierte Bauchmuskulatur
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