Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
sich vor sein Opfer. »Und? Wofür haben Sie sich
entschieden?«
Pohlmann
spuckte Blut vor Drägers Füße. »Fahren Sie doch zur Hölle, Sie Schwachkopf!«
»Na schön.
Hab schon verstanden. Sie wollen es auf die harte Tour. Dann nehmen wir eben die
Eiserne Jungfrau, die wird Ihnen gefallen. Sie werden sehen, wird gar nicht so schlimm.
Ich hab mir sagen lassen, es tut nur am Anfang weh, wenn diese ganzen Dornen ins
Fleisch eindringen. Aber dann laufen Sie ja nur noch aus, und eh Sie es sich versehen
– schwups – sind Sie hinüber.« Dräger rieb sich die Hände wie ein Junge auf seiner
Geburtstagsparty. »Oh ja, das wird ein Spaß.«
Dräger begann,
die erste Schnalle von Pohlmanns Stuhl zu lösen, als von irgendwoher ein Klingeln
wie von einer Türglocke an ihre Ohren drang. Dräger erschrak, er hatte mit allem
gerechnet, nur nicht mit Besuch. Er warf die blutbeschmierte Metzgerschürze auf
den Boden und reinigte seine Hände an einem Tuch.
»Sie rühren
sich nicht vom Fleck.« Er lachte irre. »Guter Scherz, nicht?«
Martin hörte,
wie Dräger die Treppen hinaufeilte. Er hoffte inständig, dass dieser Besuch an der
Tür mit seinem, Feldmanns und Emilies Verschwinden zu tun hatte. Wie gern würde
er jetzt seinen Kollegen Werner sehen, und sogar Schöller war ihm in diesem Augenblick
willkommen. Am liebsten eine ganze Hundertschaft von Beamten, die seinem Martyrium
ein Ende machen würden. Die Minuten verstrichen, als er zwei Personen sich dem Keller
nähern hörte. Er identifizierte Drägers schwere Schuhe, das andere Schuhpaar klang
anders, wie die hohen Absätze einer Frau. Doch welche Frau würde Dräger in seinen
Folterkeller führen wollen? Als die Tür aufging, ließ ihm der freudige Schock den
Atem stocken. Die Frau, die er erblickte, würde seine Befreiung bedeuten.
*
Dräger führte Annegret in den finsteren
Keller hinab und präsentierte ihr seine Sammlung, als würde er ihr seine eingehefteten
Briefmarken zeigen wollen.
»Willkommen
in meinem kleinen Gruselkabinett. Soll ich dir mal zeigen, was ich alles damit machen
kann?« Dräger deutete auf die zersplitterten Finger Pohlmanns.
Martin drehte
seine Augen in die Richtung, aus der er die bekannte Stimme gehört hatte. Sogleich
sah er seine Chance und flehte die dralle Krankenschwester an.
»Annegret,
Sie sind meine Rettung. Bitte, binden Sie mich los. Dieser Wahnsinnige will uns
alle umbringen.«
Schroff
fuhr sie Martin an. »Halt’s Maul, Bulle.« Sie wandte sich Dräger zu. »Er hat recht.
Du bist wirklich wahnsinnig. Du sollst sie umbringen, nicht mit ihnen spielen. Davon
war nicht die Rede.«
Martin traute
seinen Ohren nicht. Die nette Schwester, die sich rührend um die Patienten kümmerte,
steckte mit dem Psychopathen unter einer Decke. Wie konnte er sich nur derart in
ihr getäuscht haben? Welches Spiel wurde hier gespielt? Er wollte nicht glauben,
dass diese Chance, die sich ihm hier bot, nicht zu nutzen sein würde.
Erneut flehte
er sie an. »Bitte, Annegret. Hören Sie mir zu. Das kann doch nicht sein, dass Sie
mit diesem Widerling gemeinsame Sache machen. Sagen Sie ihm, dass er mich losbinden
soll. Er hat mir meine Finger gebrochen, und auf dem linken Auge kann ich nichts
mehr sehen. Ich flehe Sie an!« Annegret kam auf ihn zu und warf ihm einen verächtlichen
Blick zu. »Ihr Scheißmänner winselt sofort los, sobald es ein bisschen wehtut. Ich
dachte, Sie wollen ein echter Kerl sein.«
»Sind Sie
bescheuert? Das ist hier doch keine Mutprobe oder so ein Schwachsinn. Dräger ist
völlig irre. Wie können Sie so was unterstützen?«
»Davon verstehen
Sie nichts. Sie hätten eben Ihre Nase nicht so tief in Dinge stecken dürfen, die
Sie nichts angehen. Jetzt ist es zu spät für Ihr Gejammer. Hätten Sie sich rausgehalten,
wären nur Emilie und Feldmann draufgegangen, aber jetzt. Jetzt sind Sie ein Zeuge,
den wir nicht leben lassen können, das ist Ihnen doch klar.«
»Verdammt,
nichts ist mir klar. Wozu das alles? Nur wegen dem beschissenen Prozess? Der ist
es doch nicht wert, deshalb so viele Menschen zu töten.«
»Das stimmt,
das allein wäre es nicht wert. Da haben Sie recht. Was meinen Sie denn, worum es
noch gehen könnte, Bulle?«
»Euch Weibern
geht es außerdem noch um Geld. Ist es das, Annegret? Es steht viel Geld auf dem
Spiel, stimmt’s?«
»Ich glaube
nicht, dass Sie hier und heute in der Position sind, mich provozieren zu können.«
Annegret drehte sich mit wütendem Blick zu Dräger um. »Okay,
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