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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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gar nicht ein Priester.
     
    *
     
    Rasch ging er zu Dräger zurück,
der noch immer Hasstiraden von sich gab. Mit einer Entschlossenheit, die aus Wut
und Rachegelüsten geboren war, nahm Martin die dornengespickte Tür in die linke
Hand und holte aus. Er wollte sie Dräger in die Eingeweide rammen, fest zudrücken
und, falls nötig, mit dem daranhängenden Schloss verschließen. Alles an ihm zitterte,
die Wut war so unbändig, dass rationale Gedanken schwer Zugang fanden. Pohlmann
atmete heftig und ließ die Ereignisse Revue passieren: Dräger, dieses miese Schwein,
hatte fünf Menschen getötet und dies aus purer Lust. Er hatte sich daran geweidet,
wie Angehörige gelitten und getrauert hatten und sich damit gebrüstet, wie effektiv
und effizient er vorgegangen war. Er wollte das Format eines eiskalten Killers haben.
    Die Gedanken
rasten durch Martins Gehirn, und die Entschlossenheit, die Tür zu schließen und
Drägers jämmerlichem Dasein ein Ende zu machen, schwand immer mehr. Die Finger der
gesunden Hand krallten sich um den Griff der todbringenden Tür, und jener Teil in
ihm, der nach Rache dürstete, wollte sie zuschlagen. Doch er schaffte es nicht,
und je länger er warten würde, desto weniger würde es im Affekt geschehen sein.
Dann wäre es kaltblütiger Mord.
    »Nein, es
wäre kein Mord«, diskutierte er mit sich. »Es wäre Notwehr, es wäre nur recht und
billig, dieses Schwein von der Bildfläche zu tilgen. Er hätte es verdient!« Und
doch gab es da in seinem Inneren eine feine Stimme, die unaufhörlich zu ihm sprach:
Tue es nicht. Du bist nicht wie er. Mach dich nicht schuldig an ihm. Was er getan
hat, ist eine Sache, was du zu tun beabsichtigst, ist eine andere Sache.
    Pohlmann
krallte seine Finger um den Riegel und öffnete die Tür bis zum Anschlag. Drägers
Blick hatte all seine Überlegenheit verloren. Er sah die Geister, die ihn holen
wollten, auf sich zukommen. Mit dem gesunden Arm griff Martin hinter Drägers Rücken
und zog ihn mit einem Ruck vor. Dräger schrie auf. Die spitzen Dornen waren blutgetränkt
und lösten sich schmatzend aus seinem Rücken. In einem fast unmenschlichen Kraftakt
hob Martin Dräger aus dem Sitz des Folterstuhls und brachte ihn zum Stehen. Dräger
war von dieser unerwarteten Hilfe völlig überwältigt und begann erneut, hemmungslos
zu schluchzen. Seine ganze Pein, Angst und die unter seinen Eltern erlittene Schmach
brachen sich Bahn. Martin setzte Dräger auf den Boden und lehnte ihn an die Wand.
Dicht kam er an sein Ohr.
    »Ich rufe
Ihnen einen Krankenwagen. Wo haben Sie mein Handy hingetan?« Mit beinahe kindlichem
Blick, der nicht mehr von der Fratze der Gewalt verhüllt war, sah er zu Martin auf.
    »Sie müssen
nach oben«, keuchte er. »Das Arbeitszimmer meines Vaters. Ein alter Schreibtisch.
In der mittleren Schublade ist Ihr Handy.«
    Pohlmann
richtete sich auf, um über die Treppe ins Erdgeschoss zu eilen, als Dräger ihn am
Arm zurückhielt.
    »Warten
Sie …, die Unterlagen …«, keuchte er, »… sind auch da. Rechter Schrank, zweite Schublade.
Der Schlüssel steckt.« Er sackte in sich zusammen und sah Pohlmann aus dem Keller
verschwinden.
     
    *
     
    Im Erdgeschoss, in dem Alois Feldmann
Licht gemacht hatte, roch es muffig nach alten Möbeln und Staub. Martin bedachte
Feldmann und Emilie mit einem schnellen Blick.
    »Ich brauch
mein Handy.«
    Es drängte
sich Feldmann eine Frage auf. »Ist er tot?«
    »Nein. Ist
er nicht. Ich konnte es nicht tun. Ich habe ihn auf den Boden gesetzt. Er muss in
ein Krankenhaus.« Feldmann nickte und war beeindruckt von Martins Charakterstärke,
nicht seiner Wut und seinen Rachegedanken nachgegeben zu haben.
    Martin fand
das Arbeitszimmer auf Anhieb und den wuchtigen Eichenschreibtisch, der den ganzen
Raum dominierte. Er schob den Stuhl davor zurück und öffnete die Schublade. Dort
fand er sein Handy und wählte zügig die 112.
    Nun konnte
er für Dräger nichts mehr tun. Ab jetzt würde das Schicksal seinen Lauf nehmen.
Er war froh, sich nicht im letzten Moment an ihm schuldig gemacht zu haben. Ein
heftiger Drehschwindel ergriff seinen Kopf und er verlor die Orientierung. Er ließ
sich rücklings auf den Stuhl fallen und rief noch im Fallen den Namen des Priesters.
    Feldmann
eilte in den Raum, aus dem Martins Ruf zu hören gewesen war. Das Blut sickerte aus
der Schulter auf das Parkett und Martins Kopf hing schlaff auf der Brust. Er hatte
das Bewusstsein verloren. Feldmann richtete ihn auf und schlug abwechselnd auf

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